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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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die Flüge an Orte abgefertigt wurden, die noch nicht ganz für Europa bereit waren, in den Kosovo, nach Tirana, Belgrad, Sarajevo und in meine Geburtsstadt St. Leninsburg. Das minderwertige Gebäude war nicht mit Fluggastbrücken ausgestattet; zwei Busse kamen uns abholen, einer für die First- und Business-Class-Passagiere, der andere für uns übrige. Aus dem Fenster konnte ich sehen, wie der gewiefte Chassid sich vordrängelte, um als Erster im Erste-Klasse-Bus zu sitzen, wobei er seinen samtigen Tunfischbeutel festhielt, als enthielte er die Diamanten, mit deren Verkauf er gewiss seinen Lebensunterhalt bestritt. Schande, Schande!
    Tief sog ich auf meinem Weg treppab die hochwertige EU -Luft ein, bevor es im Bus zum verrauchten Terminal ging, wo der Rest meiner jugosowjettartarischen Mischpoke missmutig auf ihre Flüge zurück in die hintere Mongolei wartete. Ich wollte mich ins Hauptgebäude durchschlagen, aber bevor man zollfreie Zigaretten einkaufen oder seine Notdurft auf dem neuesten österreichischen Kloschüsselmodell verrichten durfte, musste man der Einwanderungsbehörde einen normalen westlichen Pass vorweisen können. Bald schon, sehr bald würde ich einen belgischen Pass besitzen. Nicht bald genug, das können Sie mir glauben.
    Während wir auf unseren Anschlussflug warteten, vertrieb Aljoscha-Bob sich die Zeit damit, mich für meine antichassidische Aktion zuneckenund mir das Haar da, wo es noch zottelig genug war, zu gelockten Koteletten zu drehen. Wie ein Kind rannte er herum und stürzte sich auf meine flatternden Haare. Ich versuchte, ihm zu entkommen, aber er war schneller. Als unser Flug nach Svanïstadt zum Einsteigen bereit war, hatte er mir ein paar hübsche Schläfenlöckchen gezwirbelt.
    Unser Flug wurde aufgerufen, und sofort rannten die dunkelhäutigsten Menschen im Terminal ans Gate, eine rempelnde Masse aus schnurrbärtigen Männern und ihren schönen düsteren Frauen, alle beladen mit Taschen des berühmten New Yorker Discounters Century 21, belagerte die armen »Austrian Airlines«-Angestellten. Hier erlebte ich zum ersten Mal den Mob Absurdistans – eine detailgetreue Nachbildung des sowjetischen Anstehens nach Würstchen, gewürzt mit den animalischen Instinkten des orientalischen Basars. »Immer mit der Ruhe, Herrschaften!«, rief ich, während an mir dicht behaarte junge Männer abprallten, die meine Masse offenbar dazu nutzten, sich ganz nach vorne in die Schlange zu katapultieren. »Alle bekommen einen Platz! Wir sind doch in Österreich, Herrgott noch mal!«
    An Bord packten die Absurdis sofort ihre vielen Einkäufe aus, führten ihren Frauen die neuen Designerkrawatten vor und tauschten Schuhe über den Gang. Ihr der ersten Klasse unangemessenes Benehmen konnte mich nicht so sehr beleidigen wie das des Chassid auf dem Flug davor, vielleicht, weil der Chassid zu den meinigen gehörte, während man einen Absurdi in St. Petersburg nur auf dem Markt finden kann, wenn man mitten im Winter nach einer schönen Blume sucht oder sich einen exotischen Mungo als Haustier halten möchte. Nichts gegen die Absurdis oder wie immer sie sich nennen. Es handelt sich um die schlauen und findigen Nachkommen einer uralten Handelskultur, was neben dem Öl, das überreichlich an ihre Strände schwappt, erklärt, warum ihr Land als die erfolgreichste der ehemaligen Sowjetrepubliken galt, als das so genannte Norwegen am Kaspischen Meer.
    Ich blickte aus dem Fenster und sah, wie unser Flugzeug dem Lauf der Donau folgte und die schmucken österreichischen Häuser mit ihren spitzen Giebeln und Swimmingpools im Garten langsam den Plattenbauten rund um die gedrungene Burg des slowakischen Bratislava Platzmachten, ihrerseits gefolgt von den melancholischen Ausläufern Budapests (ich konnte sogar das
fin-de-siècle
-Parlamentsgebäude auf der Pest-Seite ausmachen und auf der Buda-Seite den alten Regierungssitz der österreichisch-ungarischen Monarchie), dann einer irgendwie vom Krieg gezeichneten balkanesischen Landschaft aus in zufällige organische Formen gebombten Städten, eingestürzten Brücken, dem Gewirr zerstörter, orange gedeckter Häuser, angehäufelt wie an einem Korallenriff. »Für meinen großen Sprung nach vorn ist dieser Rückschritt unvermeidlich«, beruhigte ich mich. Als der Westen so einer anderen Zeitzone wich, servierten die Stewardessen zum Ausgleich erstklassige knusprige Wachteln an Salat; auch die Getränkekarte hatte mit ein paar schönen Überraschungen aufzuwarten, besonders

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