Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
mit ihren Sitznachbarn überlegten, wie man die heruntergekommene russische Industrie untereinander aufteilen und die Gunst einer gewissen amerikanischen Investmentgesellschaft gewinnen könnte.
    Dann bemerkte ich den Chassiden.
    Sei brav
, befahl ich mir selbst, obwohl ich wusste, dass ich den Mund doch wieder nicht würde halten können. Er war um die 30, mit struppigem Bart und Pickeln, wie sie eben so sind, rote Augen, rund wie Münzen. Er trug nicht den üblichen steifen Hut, nur einen kecken Filzhut, unter dem der Halbmond seiner
jarmelke
herausschaute. Ichkonnte mir nicht vorstellen, dass er tatsächlich ein Erste-Klasse-Ticket gekauft hatte, wahrscheinlich hatte man ihm ein Upgrade gegönnt. Bei diesen Leuten weiß man nie.
    Eine Stewardess beugte sich über den Chassiden und versuchte ihn zu überreden, das koschere Essen aus Hühnerleber auf Toastecken anzunehmen, das man extra für ihn zubereitet hatte. Der jugendliche österreichische Busen der Hostess brachte den Chassiden wiederholt zum Zwinkern, aber was die Leber anging, blieb er hart. »Es muss zertifiziert sein«, kam es düster durch die Nase. »Gosher gamma leicht sagen. Wo ist die Zerdifigat?«
    »Nein, das ist wirklich koscher, Sir«, beharrte die Stewardess. »Viele Juden haben es gegessen. Ich habe es selbst gesehen.«
    »Ich brauche Beweise«, jammerte der Chassid. »Wo ist mein Beweis?
Nu
, wo ist das Zerdifigat? Der Beleg für die rabbinische Aufsicht? Zeigen Sie mir den Beweis, dann esse ich es.« Schließlich ging die Stewardess, und als sie weg war, griff der chassidische Kretin in einen samtigen schwarzen Beutel und zog eine Dose Tunfisch, etwas Majonäse und ein Stück Matze heraus. Er leckte sich die dicken Lippen, machte einen Buckel und fummelte unter Mühen den Deckel von der Tunfischdose. Dann, wie in seinen endlosen
baruch-baruch
-Gebeten verloren, rührte der Chassid gedankenverloren die Majonäse unter den Tunfisch und wiegte sich dabei langsam hin und her. Ich sah ihm ungefähr 400 Kilometer Luftlinie lang zu, wie er seinen Tunfisch mit Majo verrührte und vorsichtig auf den brüchigen Matzen strich. Wenn die Stewardess vorbeikam, schirmte er sein Werk gegen den gojischen Vorbeimarsch ihres teutonischen Hinterns ab. Als wollte er sagen: »Ein österreichischer Knackarsch passt nicht zu meinem koscheren Tunfisch.«
    Bin ich schon ein Faschist, wenn ich zugebe, dass ich ihn hätte umbringen können? Gibt es Gefühle, die nur ich als Jude in meinem verfetteten Herzen tragen darf und die einem Nichtjuden verboten bleiben? Wäre es wirklich schon Selbsthass, diesen Mann zu verachten, mit dem ich nicht mehr gemeinsam hatte als einen strubbeligen Strang DNS ?
    Der Chassid öffnete mitten in seinem Bart den Mund und murmelteein kurzes Dankgebet für diese erbärmliche Beute, dann biss er krachend in den Dosentunfisch und das heilige Gebäck. Der Gedanke an den billigen Fisch zwischen seinen fauligen Mundschleimhäuten drehte mir fast den Magen um. Ich saß vier Reihen entfernt, und der stechende Geruch des Chassid breitete sich nicht bis zu mir aus, aber im Kopf erzeugt man seine eigenen Gerüche. Ich konnte nicht länger stillhalten.
    »
Fräulein«, rief ich die Stewardess, die herbeigeschlendert kam und zum Lächeln nur die Vorderzähne entblößte – das war höchstens Business-Class. »Ich finde die Gegenwart des Herrn Chassid tief beleidigend«, sagte ich, »bitte sagen Sie ihm, dass er seinen schrecklichen Fraß einpacken soll. Wir sitzen in der ersten Klasse. Ich erwarte ein kultiviertes Ambiente und keine Reise ins Galizien von anno 1870.«
    Nun öffnete die Stewardess ihren Mund ganz. Wie zum Schutz hielt sie sich die Hände vor den Leib. Mir fielen ihre spitzen Hüften auf, die den Uniformrock dehnten, was auf gebärfreudige Weise sexy wirkte. »Sir«, hauchte sie, »unsere Passagiere dürfen an Bord ihr eigenes Essen verzehren. Aus religiösen Gründen, gell?«
    »Ich bin selbst Israelit«, sagte ich und zeigte ihr meine großen Patschhände. »Dieser Mann und ich hängen demselben Glauben an. Aber nie im Leben würde ich in der ersten Klasse so etwas essen. Das ist Barbarei!« Ich hatte die Stimme erhoben, und der Chassid reckte den Hals nach mir. Er schwitzte am ganzen Leib, seine Augen waren so feucht, als käme er eben aus seinem Gebetshaus.
    »Reg dich ab, Snack Daddy«, sagte Aljoscha-Bob. »Immer locker bleiben.«
    »Ich will aber nicht locker bleiben«, antwortete ich meinem Kumpel. Dann wandte ich mich wieder der

Weitere Kostenlose Bücher