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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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erzählt, dass du gern für eine gemeinnützige Einrichtung arbeiten möchtest. Dies ist deine Chance. Ich übertrage dir die Geschäftsführung. Du lässt dir 20 progressive Sozialarbeiter aus Park Slope, Brooklyn, einfliegen und setzt sie auf die am schwersten erziehbaren unserer Kinder an. Valentin, du wirst Artdirector und sollst die Kleinen lehren, dass man nicht nur in der klinischen Sozialarbeit, sondern auch im Webdesign Erfüllung findet. Euer Jahresgehalt wird 80.000 Dollar betragen.« (Zum Vergleich: Dasdurchschnittliche Jahreseinkommen liegt in St. Petersburg bei 1.800 Dollar.)
    Sweta bat um ein Gespräch unter vier Augen. »Ich fühle mich sehr geehrt«, sagte sie, »aber ich glaube nicht, dass Valentin sich für einen so verantwortungsvollen Posten eignet. Ich weiß, dass er für Aljoscha arbeitet und ihm eine Website gestaltet, aber er ist doch ein eher überflüssiger Mensch, meinst du nicht?«
    »Sind wir nicht alle ein bisschen überflüssig?«, sagte ich, ohne Turgenjew zu nahe treten zu wollen. Ich gab ihr die Hand, küsste den weinenden Valentin dreimal auf die Wangen, sagte seinen Huren Lebewohl und rief dann zum letzten Mal nach meinem Fahrer. Es war früh am Montagmorgen, die Bevölkerung kämpfte sich noch durch ihren kollektiven Kater, aber ganz ohne Menschen erstrahlte Petersburg in besonders schönem Licht. Die Paläste am Newskij Prospekt, die sich anständig von mir verabschieden wollten, staubten sich ab und neigten ihre wettergegerbten Baldachine in meine Richtung; die Kanäle übertrafen sich darin, auf das Romantischste zu plätschern; zur Verdeutlichung der Tageszeit ging der Mond unter und die Sonne auf; aber davon ließ ich mich nicht aus der Fassung bringen. »Einen Schritt vor und keinen zurück«, sagte ich und schüttelte die Schöpfung Peters des Großen von mir ab. Vor uns lag der lachhafte Flughafen, eine monströse braungelbe Festung, in der Touristen aus dem Westen auf hundert verschiedene Arten gepiesackt wurden, eine mickrige, zugeschissene kleine Redoute, wie sie sich für Montgomery, Alabama, geziemt hätte, nicht aber für eine Fünfmillionenstadt. An der Zollkontrolle kam es zu einer traurigen Szene, als Timofejs Sohn Slawa am Hals seines Vaters zu weinen begann. »Ich lasse dich nachkommen, Sohnemann«, sagte mein Diener und tätschelte dem jungen Mann das schütter werdende Haar. »Du kommst mich in Brüssel besuchen, das wird lustig. Du kannst mein Daewoo-Dampfbügeleisen haben.«
    »Ich brauche kein Brüssel«, sagte Slawa und spuckte sich in die Hand. So, wie er den Namen der belgischen Hauptstadt aussprach, wusste man gleich, dass er noch nie von ihr gehört hatte. »Ich brauche meinen Papa.«
    Er hatte mein vollstes Mitgefühl – ich brauchte meinen Papa auch.
    Zaghaft schob sich das Flugzeug der Austrian Airlines ans Gate. Eine Laune der Geographie war schuld daran, dass Petersburg nur eine drei viertel Flugstunde von der ultramodernen finnischen Stadt Helsinki entfernt lag, dem nordöstlichen Außenposten der EU . Nachdem wir unsere Plätze eingenommen hatten und das Flugzeug die zerfurchte Startbahn entlanggehoppelt und aufgestiegen war, betrachteten wir das Land unter uns, die skurrilen Formen der darauf verstreuten antiquierten Fabriken. Eben wollte ich dem Land, das mich mit saurer Milch aus einer kalten Brustwarze aufgezogen und dann viel zu lange in seinen dicken sommersprossigen Armen gehalten hatte, eine wohlgesetzte Abschiedsrede halten. Aber ehe wir es uns versahen, war Russland weg.
    Timofej musste in der Touristenklasse sitzen, während Aljoscha-Bob und ich die Annehmlichkeiten der ersten Klasse genossen. Es war noch Vormittag, also beschränkten wir uns auf Irish Coffee und einen Imbiss aus Crêpes und schottischem Lachs. Ich hielt mir mit beiden Händen den Bauch, rieb mir an der breiten, lendenwirbelgestützten Rückenlehne den Gifthümpel und schnappte vor Lust nach Luft. Ich glaube nicht, dass je zuvor ein Flug über Polen in einem Airbus einen Mann so erregt hat. Ich griff mir ein Frühstücksmesser und forderte Aljoscha-Bob zu einem Scheinduell; eine Weile hauten wir unser Besteck gegeneinander, und mein Freund war so vergnügt wie ich, aber die anderen Erste-Klasse-Passagiere mochten sich nicht recht an unserem Überschwang freuen. Selbst zu dieser frühen Stunde klackerten die multinationalen Geschäftsleute schon mit einer Hand auf ihren Laptops, während sie sich mit der anderen Nutella auf ihre Crêpes schmierten und im Flüsterton

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