Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
Belgien wissen wollte. Viel war es nicht. »Da gibt es doch diese Königin, Beatrix, oder?«
    »Das wäre dann Holland.«
    »Und diese historische Schande im Kongo. Ihr Leopold war ein Ungeheuer.«
    »Jetzt ist er Ihr Leopold, Vainberg.
Unser
Leopold. Unser Dunkelmann Leopold.« Lefèvre zog einen amtlichen Umschlag unter der Matratze hervor und wollte ihn mir zuwerfen, aber er flog genau in die andere Richtung und landete auf einem Plastikrecyclingcontainer. Der andere Mischa hob ihn auf und brachte ihn mir.
    Ich versuchte, meine große Patschhand hineinzuschieben, aber es ging nicht. Nachdem ich den Umschlag in klitzekleine Stücke gerissen hatte, hielt ich einen purpurfarbenen belgischen Pass in Händen.
    Ich schlug ihn auf. Unter einem blassen Hologramm, vermutlich des königlich belgischen Schlosses, entdeckte ich einen grobkörnigen Abzug meines Fotos aus dem Jahrbuch des Zufallscollege, auf dem mir die Mühen eines schwerst übergewichtigen 22-Jährigen schon vom Kinn herunterhingen.
    »Wenn Sie mehr über Belgien erfahren möchten, besuchen Sie www.belgium.be «, sagte Lefèvre. »Auch auf Englisch verfügbar. Wenigstens den Namen des derzeitigen Premierministers sollten Sie kennen. Manchmal fragen Sie bei der Passkontrolle danach.«
    »Der sieht so echt aus«, sagte ich.
    »Ist er ja auch«, erklärte mir der Diplomat. »Amtlichen Aufzeichnungen zufolge haben Sie im vergangenen Sommer auf dem Flughafen Charleroi die belgische Staatsbürgerschaft angenommen. Wir haben Ihnen als russischer Flüchtling Asyl gewährt. Sie sind ein tschetschenischer Sympathisant oder so was. Ein jüdischer tschetschenischer Sympathisant, das sind Sie.«
    Ich drückte mir den Pass an die Nase. Ich wollte Europa erschnuppern – Wein, Käse, Schokolade, Muscheln,
fritjes
statt
french fries
von McDonald’s. Aber ich roch nur mich selbst – einen heißen Tag, einen müden Mann, Hoffnung, abgeschmeckt mit Störfleisch. »Hervorragend«, sagte ich.
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte Lefèvre.
    »Nun, für mich ist es hervorragend«, sagte ich. Ich wollte positiv denken, wie sie das in den Staaten immer machten.
    Der Diplomat lächelte. Er winkte dem anderen Mischa, ließ sich den Kopf zurücklegen und aus dem McDonald’s-Pappbecher noch mehr Wodka einflößen. Zwischen zwei Schlucken stimmte er die Nationalhymne meines neuen Vaterlandes an:
O Belgique, ô mère chérie,
    A toi nos cours, à toi nos bras,
    A toi notre sang, ô patrie!
    Nous le jurons tous, tu vivras!
    Tu vivras toujours grande et belle
    Et ton invincible unité
    Aura pour devise immortelle:
    Le roi, la loi, la liberté!
    Mit jedem französischen Wort blickte er tiefer in die blaue Leere meiner schönen Augen, wobei er Grimassen zog, brüllend lachte und alles Versagen auf mich herniederwünschte, das ich mir zutraute. Ich stand da und hörte ihm zu. Dann sagte ich: »Wissen Sie was, Mr Lefèvre …«
    »Hmm?«, machte er. »Was wissen Sie?«
    »
Everybody hurts
«, sagte ich.
    Der Diplomat stülpte die zarten Lippen auf und wirkte zum ersten Mal überrascht. »Wer leidet?«, fragte er. »Was reden Sie da?«
    »
Everybody hurts
«, wiederholte ich. »Alle leiden.« Der logistischen Probleme zum Trotz, die mein Leibesumfang mir machte, setzte ich mich auf den Boden und streckte eine Hand nach Lefèvres Wodkabecher aus. Lefèvre streckte mir die seine entgegen, und ganz kurz berührten unsere Hände einander; seine war so feucht und gewöhnlichwie die meine. Ich nahm den Becher und kippte ein wenig Wodka auf meinen neuen Pass.
    »Was machen Sie da?«, rief der Diplomat. »Das ist ein Pass der Europäischen Gemeinschaft!«
    »Wenn man in Russland die Universität abschließt, gießt man ein wenig Wodka auf sein Diplom, das bringt Glück.«
    »Ja, aber das ist ein Pass der Europäischen Gemeinschaft!«, wiederholte der Diplomat und kroch auf seiner Matratze von mir weg. »Sie haben Hunderttausende Dollar dafür bezahlt. Er soll doch nicht nach Wodka riechen.«
    »Ich kann damit machen, was ich will!«, rief ich nun, als plötzlich hinter mir Porzellan und Besteck zu zerkrachen begannen, ein Geräusch, so wütend wie ich. Wir sahen zum Restaurant hin; wir wussten sehr wohl, dass es dort nur Papp- und Plastikgeschirr gab.
    »Was stellen diese Idioten denn jetzt wieder an?«, sagte Lefèvre.
    Im McDonald’s hatte eine Gruppe von Frauen in den mittleren Jahren aus voller Kehle zu schreien begonnen. Unmittelbar darauf gesellte sich dem Gebrüll der Frauen ein Echo zu,

Weitere Kostenlose Bücher