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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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bei Century 21. Aber wie sollen wir sie
hier
zustande bringen? Denn offen gesagt, Mr Vainberg, sobald uns das Öl ausgeht, weiß doch niemand mehr, dass es uns überhaupt gibt!«
    Sollte ich ihm verraten, dass das sowieso niemand wusste? Wahrscheinlich zu taktlos, dachte ich.
    »Vielleicht sollten Sie Ihre Töchter nach Belgien schicken«, sagte ich. »Ich zahle die Flüge.«
    »Ein schöner Gedanke, der gewiss von Herzen kommt«, sagte Trotl, und dann, alle Konventionen des männlichen Kaukasus brechend, wandte er sich ab und schniefte tränenreich durch seine sichelförmige Nase.
    »Seinen Geburtsort kann man sich nicht aussuchen«, sagte ich und kam mir dafür sofort wie ein Arschloch vor.
    Trotl lenkte seine Blicke vom mit Ölbohrtürmen übersäten Horizont zurück auf meine in der Hitze brütende Gestalt. »Ist Ihnen heiß, Mr Vainberg?«, sagte er und legte mir eine Hand auf die nassen Schultern. »Dann wollen wir wieder in den Wagen steigen. Bei McDonald’s wartet Monsieur Lefèvre an den Müllcontainern auf uns.«
    Ich nickte zustimmend. Aber als wir uns zum Wagen wandten, warf Trotl noch einen Blick zurück auf die Stadt unter uns. »Habe ich Ihnen schon erzählt«, sagte er, »dass der Sevo-Vatikan früher mit sechseckigen vergoldeten Kacheln ausgelegt war, ein Tribut des Khans von Bukhara, und dass das Motiv des Sechsecks auf die sechs großen Städte des antiken Sevo verweist?«
    »Ich glaube, das sagten Sie schon, ja«, gab ich zurück.
    »Und habe ich Ihnen auch die Namen aller sechs Städte genannt?«, fragte Trotl. »Vielleicht habe ich eine vergessen.«
    »Nein, Sie haben mir alle genannt, Mr Trotl«, sagte ich. »Ihr Land blickt auf eine stolze Geschichte zurück. Das weiß ich wohl.«
    Trotl nickte und zog an seinem orangenen Zenga-Schlips. »Na gut, fahren wir«, sagte er.
     
     
    Der Weg vom »Plateau International« auf die Svanï-Ebene führte uns aus einem Nachwuchs-Portland, Oregon, nach Kabul. Verschwunden waren die Hyatts und Irish Pubs. Die Geschäftswelt bestand hier aus Männern mittleren Alters, die an im Leerlauf wartenden Taxen lehnten, Zigaretten rauchten und schwatzten. Das Wirtschaftsleben wurdevon Jungen und jüngeren Männern vervollständigt, die eimerweise Sonnenblumenkerne durch die Straßen trugen, um sie in Papier einzuschlagen und für etwa 5000 Absurdis die Packung zu verkaufen (also für den Gegenwert von etwa 0,05 US -Dollar, wie ich später herausfand).
    Das McDonald’s befand sich hinter einem zentralen Platz, der in der Sowjetzeit so manchen Aufmarsch zum Tag der Arbeit erlebt haben dürfte und inzwischen in einen Flohmarkt für gebrauchte Fernbedienungen verwandelt worden war. Horden von Käufern prüften die verwaisten Geräte und richteten sie gen Himmel, als wollten sie die sengende Sonne ausknipsen. Über dem schimmernden Haufen aus Fernbedienungen erstreckte sich ein enormes Wandgemälde, das Georgi Kanuk und seinen Sohn Debil tanzend auf dem Hubschrauberlandeplatz einer Chevron-Ölförderplattform zeigte. An der Seite stand ein stattlicher Mann in Frack und Fliege, der mit einer Feder etwas auf eine altertümliche Schriftrolle schrieb. Sein Schnurrbart war so säuberlich gestutzt wie der des Diktators und seines Sohnes, und auf seinem Schopf sprossen stolze afrikanische Locken. »Wer ist das?«, fragte ich.
    »Alexandre Dumas«, erklärte mir ein alter Fernbedienungsverkäufer. »Im Jahr 1858 hat er unser Land besucht. Er nannte das Volk der Svanï die ›Perle des Kaspischen Meeres‹. Er liebte unser trockenes Räucherfleisch und unsere feuchten Frauen. Als er aber auf das Sevo-Plateau kam, da wurde er von Schlägertypen ausgeraubt und von den Händlern betrogen. Da hat es ihm
nicht
gefallen.«
    Ich blickte zu Trotl hinüber, der nur mit den Achseln zuckte. »Eine alte svanïsche Legende«, sagte er.
    »Und sagen Sie, was für ein Landsmann sind Sie?«, setzte der Fernbedienungsverkäufer zu fragen an, aber Trotl riss mich rasch mit sich fort, unserem Bestimmungsort entgegen.
    Wir betraten den 100-Prozent-Rindfleisch-Dunstkreis des McDonald’s, wo die hungrigen Gäste mich wie eine Art lebendige Verkörperung des Fast-Food-Lifestyles ansahen. »Ich ziehe ja eigentlich die Slow-Food-Bewegung vor«, verkündete ich laut einer Familie, die sich den kleinsten McDonald’s-Hamburger in sechs Teile schnitt, damit jedes Familienmitglied ein Häppchen davon genießen konnte. Die Ärmsten.Dalebten sie am Kaspischen Meer, umgeben von leckerem frischem Stör und

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