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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Edward-Hopper-Schinken; die angehende spanischstämmige Sozialarbeiterin, die in einem Buch mit dem Titel
Rückfälle: Möglichkeiten und Grenzen der Reintegration von Gewalttätern
mit Leuchtstift gelangweilt Sätze markierte; die frisch gestrichenen azurblauen Feuertreppen, die das verblasste Art-déco-Mauerwerk dahinter zum Leben erweckten; das städteplanerische Desaster des Cross-Bronx-Expressway (und die zugemülltenGrundstücke rechts und links davon); die 150-Kilo-Frau (endlich eine passende Reisegefährtin), die an der 174. Straße zugestiegen war, und besonders das enge Top unter der schusssicheren Hülle ihrer Daunenjacke, auf dem Strasssteine die Worte HOT ’N’ SEXXXY formten; das neugierige Kind (ganz Augenbrauen und verkümmerte Zähne), das seinen Blick nicht von dem Buch in meinem Schoß abwenden konnte (
Die große Versuchung
von William Dean Howells) und mich fragte: »Was liest’n da,
pops

    So schnell ich einst in die riskanten »Versuchungen« meines Geliebten Herrn Papa gerutscht war, fiel ich nun wieder aus meinem Traum von New York. Noch immer untermalte Trotl viele Worte mit großen Gesten. Ich unternahm einen Versuch, mich wieder einzuklinken und in das Land um mich herum zurückzukehren, mich einzulassen auf die Welt, die ich gerade bewohnte und die ich schnellstmöglich hinter mir lassen wollte. Ich wollte unbedingt etwas Kluges sagen, wie so oft in Gegenwart Intellektueller. »Also leben die Sevo auf dem Sevo-Plateau und die Svanï haben ihr eigenes Plateau?«, fragte ich.
    »Ursprünglich ja. Im Dreihundertjährigen Fußstützenkrieg hat die geographische Lage der Stadt beide Parteien voneinander getrennt gehalten, und sie hat auch die ottomanischen, persischen und russischen Eroberer behindert. Aber in den vergangenen 200 Jahren ist jeder einfach hingezogen, wo er wollte. In der Sowjetzeit waren Mischehen große Mode. Heute ist die Unterscheidung völlig bedeutungslos geworden.«
    »Wohnen
Sie
auf dem Sevo-Plateau?«, wollte ich wissen. Ich konnte mich kaum auf das konzentrieren, was er sagte. Ein Teil von mir saß noch immer mit der HOT-’N’-SEXXXY -Dame im Zug Nummer 5, aber mit all meiner Willenskraft kämpfte ich diesen Teil nieder.
    »Oh nein«, lachte Trotl. »Ich bin ein ganz armer Demokrat. Ich kann mir keine Wohnung auf den Plateaus leisten. Ich lebe in Gorbigrad.« Er wies auf einen entfernten Hügel, einen (wie ich dachte) menschenleeren orangenen Felsen, der in die Bucht vorstieß und dessen Farbe mich stark an die des viel gefeierten Crand Canyons im Staate Arizona erinnerte.
    »Sie leben allein auf einem nackten Felsen?«, fragte ich.
    »Sehen Sie genauer hin«, antwortete Trotl. Als ich die Augen zusammenkniff und mein Gesicht mit der Hand vor der Sonne schützte, verwandelte sich der Felsen in einen Ameisenhaufen, bedeckt von Tausenden vergilbenden Wohnblöcken aus der Chruschtschow-Zeit, offenbar mit zahllosen Hütten aus Sackleinen und Teerpappe dazwischen. »Die Favelas von Gorbigrad«, sagte Trotl. »Heimat für über die Hälfte aller Bewohner der Stadt. Benannt nach Gorbatschow, dem Mann, dem man hier noch
immer
die Schuld an allem gibt.«
    »Moment mal, also
ist
das hier gar kein reiches Land?«, sagte ich. »Und das ganze Öl?«
    »Auf dem UN -Index für Entwicklungsländer rangieren wir knapp hinter Bangladesch. Was die Kindersterblichkeit angeht –«
    »Oh, ihr armen Menschen«, rief ich. »Ich hatte ja keine Ahnung.«
    »Willkommen im Norwegen am Kaspischen Meer.«
    »Ach, wenn ich hier doch nur eine Filiale von ›Mischas Kinder‹ eröffnen könnte, Mr Trotl. Wenn ich doch nur mehr Geld und Zeit hätte.«
    »Sie sind ein guter Mensch«, sagte Trotl. »Josh Weiner und Sie haben am Zufallscollege wirklich eine unbezahlbare Erziehung genossen.«
    »›Glauben Sie, dass ein Mensch die Welt verändern kann?‹«, sagte ich auf Englisch. »›Wir auch.‹«
    »Was ist das?«
    »Das Motto von ›Mischas Kinder‹.«
    »Ach, könnte ich es doch auch das meine nennen«, sagte Trotl. Er seufzte und stützte die Hände in die Hüften – eine überraschende und sogar unakademische Geste. »Ich kann mich nicht beklagen, Mr Vainberg«, sagte er. »Die Amerikaner haben uns wirklich ganz toll geholfen. Kopierer, kostenlose Fax-Benutzung nach 21.00 Uhr, Rabatt auf Hellmanns-Majonäse beim Verpflegungsoffizier, 5000 Freiexemplare von Ronald Reagans Erinnerungen
Ein amerikanisches Leben
. Wir wissen, wie Demokratie sich anfühlt. Wir haben davon gelesen. Wir waren

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