Sniper
die Höhe und erreichte einen neuen Höchststand.
Ich hatte das Gefühl, ich würde bald explodieren.
Auch körperlich war ich angeschlagen. Vier lange Auslandseinsätze hatten ihren Tribut gefordert. Meinen Knien ging es zwar besser, aber mein Rücken schmerzte, ebenso mein Fußgelenk, und ich hörte schlecht beziehungsweise hatte ein Pfeifen in den Ohren. Mein Nacken war verletzt, meine Rippen angebrochen. Meine Finger und Knöchel waren gebrochen gewesen. Die Sehschärfe auf meinem rechten Auge hatte sich verschlechtert, ich sah oft Schlieren. Ich hatte Dutzende von Prellungen und Schmerzen. Kurzum: Ich war der Fleisch gewordene Traum einer jeden Reha-Klinik.
Aber das, was mich am meisten störte, war mein Blutdruck. Ich schwitzte stark und meine Hände zitterten. Mein ohnehin schon recht blasses Gesicht war kreidebleich geworden.
Je mehr ich versuchte mich zu entspannen, umso schlimmer wurde es. Es war, als ob mein Körper angefangen hatte zu vibrieren. Und jeder Gedanke daran verschlimmerte die Sache nur.
Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einem Fluss und steigen eine lange Leiter hinauf, Tausende von Kilometern. Dann werden Sie von einem Blitz getroffen. Ihr Körper steht unter Strom, aber Sie sind trotzdem am Leben. Sie bekommen nicht nur mit, was um Sie herum geschieht, Sie wissen auch, dass Sie die Situation meistern werden. Sie wissen, was Sie tun müssen, um wieder herunterzukommen.
Also tun Sie das. Sie klettern hinab. Aber sobald Sie auf dem Boden stehen, merken Sie, dass Sie immer noch unter Strom stehen. Sie suchen nach einer Möglichkeit, den Strom abzuleiten, sich zu erden, aber Sie finden den verdammten Blitzableiter nicht.
Weil ich weder essen noch schlafen konnte, suchte ich schließlich diverse Ärzte auf und bat sie darum, mich zu untersuchen. Sie checkten mich durch und fragten, ob ich Medikamente nehmen wolle.
Nicht wirklich, sagte ich. Die Medikamente nahm ich aber trotzdem.
Weil damals in den Einsätzen kaum etwas los war und wir ohnehin in wenigen Wochen nach Hause fahren würden, schlugen sie vor, mich vorzeitig zurückzuschicken.
Ratlos wie ich war, willigte ich ein.
Kapitel 14
Ein neuer Lebensabschnitt
Auf und davon
Es war Ende August, als ich den Irak verließ. Wie schon beim letzten Mal war das ein fast surreales Erlebnis – an einem Tag war ich noch im Krieg, am nächsten schon zu Hause. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Denn aus Scham hatte ich niemandem von meinem hohen Blutdruck oder meinen anderen gesundheitlichen Problemen erzählt. Ich versuchte, es möglichst für mich zu behalten.
Um ehrlich zu sein, hatte ich beinahe das Gefühl, meine Jungs im Stich zu lassen, so als würde ich mich davonstehlen, nur weil mein Herz ein bisschen unregelmäßig schlug oder andere Mätzchen machte.
Alles, was ich zuvor geleistet hatte, änderte nichts an dem Gefühl, dass ich meine Kameraden hängen ließ.
Ich wusste, dass das nicht stimmte. Es gab so viel, das ich erreicht hatte und auf das ich stolz sein konnte. Ich brauchte eine Auszeit, fand aber zugleich, dass ich mir keine nehmen sollte. Irgendwie war ich der Meinung, ich hätte das alles klaglos aushalten müssen.
Zu allem Überfluss vertrug ich offenbar einige der Medikamente nicht. Ein Arzt zu Hause in San Diego hatte es gut mit mir gemeint und mir Schlaftabletten verschrieben. Die setzten mich allerdings ziemlich schachmatt – und zwar so sehr, dass ich eines Tages auf dem Stützpunkt zu mir kam und mich nicht mehr daran erinnern konnte, dass ich vorher zu Hause trainiert hatte und dann zum Stützpunkt gefahren war. Taya bestätigte mir, dass ich trainiert hatte, und dass ich zur Arbeit gefahren war, erkannte ich daran, dass mein Wagen dort abgestellt war.
Fortan ließ ich die Finger von diesem Medikament. Es war zu gefährlich.
Taya:
Ich habe Jahre gebraucht, um mir über einige der nachfolgenden Dinge klar zu werden: Oberflächlich betrachtet will Chris nur losziehen und seinen Spaß haben. Wenn man ihn jedoch braucht, wenn Leben auf dem Spiel stehen, ist er der zuverlässigste Mensch, den man sich vorstellen kann. Er weiß genau, wann es darauf ankommt, Verantwortung zu übernehmen und fürsorglich zu sein.
Ich erkannte das an seinen militärischen Beförderungen: Sie spielten für ihn keine Rolle. Er wollte nicht die Verantwortung eines höheren Rangs, auch wenn er dadurch seiner Familie finanziell mehr hätte bieten können. Und trotzdem: Wenn ein Auftrag erledigt werden musste, war er zur Stelle. Er wird
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