Sniper
weshalb – ich sah durch das Zielfernrohr, wie die Kugel den Iraker traf, der über die Mauer taumelte und auf die Erde fiel.
»Wow«, murmelte ich.
»Du hast mehr Glück als Verstand«, sagte LT.
Zwei Kilometer. Der Schuss versetzt mich auch heute noch in Erstaunen. Es war ein reiner Glücksschuss; theoretisch war ein Treffer praktisch ausgeschlossen.
Aber trotzdem hatte ich es irgendwie hinbekommen. Mir war im Irak noch nie zuvor auf eine so weite Distanz ein Todesschuss gelungen, selbst in Falludscha nicht.
Der Konvoi fuhr unbehelligt weiter und war sich wahrscheinlich nicht einmal bewusst, wie knapp er einem Angriff entkommen war. Und ich hielt weiter Ausschau nach Schurken.
*
Im weiteren Verlauf des Tages wurden wir dann irgendwann mit Kalaschnikows und Granaten beschossen. Das Feuergefecht schwoll schnell an. Die Panzerabwehrraketen rissen Löcher in die brüchigen Beton- oder Lehmwände und verursachten Brände im Inneren des Hauses.
Wir beschlossen, dass es an der Zeit war, den Schauplatz zu verlassen und uns herausholen zu lassen.
Schickt die RG-33er! (Dabei handelt es sich um gepanzerte Transporter, die so massiv gebaut sind, dass selbst IEDs ihnen nichts anhaben können. Sie sind oben mit einem MG-Geschütz ausgestattet.)
Wir warteten, erwiderten das Feuer und duckten uns, weil die Aufständischen uns immer stärker beschossen. Schließlich meldete sich die Rettungsmannschaft und teilte mit, sie seien noch 450 Meter entfernt, auf der anderen Seite des Fußballfelds.
Weiter kamen sie nicht.
Einige Army-Hummer rasten durch das Dorf und erschienen vor unserer Tür, aber sie konnten uns nicht alle mitnehmen. Die übrig gebliebenen Soldaten begannen auf die RG-33er zuzulaufen.
Jemand warf eine Rauchgranate, ich schätze, um dem Feind die Sicht auf uns bzw. unseren Rückzug zu nehmen. Das hatte aber den unerwünschten Nebeneffekt, dass auch wir nicht mehr wussten, in welche Richtung wir laufen sollten. (Die Granaten sollten wie ein Schutzwall eingesetzt werden; man bewegt sich stets dahinter. Wir jedoch mussten durch den Qualm hindurchrennen.) Wir stürmten aus dem Haus, kämpften uns durch die Rauchschwaden, wichen dabei den Kugeln aus und spurteten aufs offene Feld.
Es war wie eine Filmszene. Kugeln flogen einem um die Ohren und schlugen in der Erde auf.
Der Soldat neben mir fiel zu Boden. Ich dachte schon, er sei getroffen worden, hielt an, aber noch bevor ich ihn greifen konnte, sprang er wieder auf die Beine – er war nur ausgerutscht.
»Mir geht’s gut, alles gut!«, rief er.
Wir rannten gemeinsam auf die Fahrzeuge zu, überall flogen Kugeln und Erdbrocken herum. Schließlich erreichten wir die Transporter. Ich stieg durch die Hecktür in den Fond des RG-33. Während ich wieder zu Atem kam, schlugen einige Kugeln in eines der kugelsicheren Seitenfenster ein und hinterließen ein spinnwebenartiges Muster im Glas.
*
Einige Tage später fuhr ich nach Westen, zurück zum Zug Delta. Die Versetzung, um die ich gebeten hatte, war bewilligt worden.
Der Zeitpunkt war genau richtig, denn langsam setzte mir der Einsatz zu. Der Stress baute sich immer weiter auf. Ich wusste damals allerdings noch nicht, dass es weitaus schlimmer werden würde, selbst als die Gefechte deutlich abnahmen.
Chief Petty Officer Kyle
Mittlerweile hatten meine Kameraden al-Qa’im verlassen und befanden sich an einem Ort namens Rawah, der ebenfalls im Westen in der Nähe der syrischen Grenze lag. Wieder einmal hatten sie die Aufgabe, Schlafbaracken und andere Räumlichkeiten zu errichten.
Ich hatte jedoch Glück gehabt und die Bauphase verpasst. Aber als ich dort ankam, war trotzdem nicht allzu viel los.
Immerhin kam ich gerade rechtzeitig, um mich an der Grenze einer Wüstenpatrouille anzuschließen, die ein großes Gebiet durchstreifen sollte. Wir fuhren für mehrere Tage hinaus und sahen kaum einmal einen Menschen, geschweige denn Aufständische. Es ging das Gerücht um, dass in der Wüste geschmuggelt wurde, aber wenn das stimmte, dann mit Sicherheit nicht dort, wo wir patrouillierten.
In der Zwischenzeit war es sehr heiß geworden. Tagsüber herrschten mindestens 49 Grad Celsius und unsere Hummer hatten keine Klimaanlage. Ich bin in Texas aufgewachsen und Hitze ist für mich nichts Ungewöhnliches; aber das war viel schlimmer. Und es war praktisch immer so heiß; selbst am Abend kühlte es kaum ab – maximal auf 46 Grad. Wenn man die Fenster herunterkurbelte, riskierte man Leib und Leben, falls man auf einen
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