Snobs: Roman (German Edition)
gab es für ihresgleichen wenig Berührungspunkte, denn sie lebten, was immer ihre Mutter gern denken mochte, auf einem ganz anderen Stern.
»Mann!«, sagte Simon mit einem tiefen Aufatmen, als sie in Richtung King’s Road losfuhren. Edith nickte. Sie hatten überlebt. Das war die Hauptsache. Sie hatte einen ersten Schritt unternommen, ihrer Mutter begreiflich zu machen, dass ihr Traumleben vorbei war. Simon zwinkerte ihr zu. »Wir leben noch«, sagte er. Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Willst du gleich nach Hause fahren?«
»Was wäre die Alternative?«
»Wir könnten irgendwo hingehen.«
»Wohin?«
Simon runzelte die Stirn. »Wie wär’s mit Annabel’s?« Edith war überrascht. »Bist du Mitglied?«
Er schüttelte den Kopf, etwas trotzig, wie ihr schien. »Natürlich nicht. Aber dich werden sie doch reinlassen.«
Edith war sich überhaupt nicht sicher, dass sie Zutritt erhalten würden. Das Mitglied war schließlich Charles, und obwohl sie ziemlich oft zusammen dort gewesen waren und sie im Club sicher bekannt war, wusste sie nicht, welchen Status sie nun dort hatte. Auch war sie von der Idee nicht überzeugt. Garantiert waren Leute aus Charles’ Bekanntenkreis dort. »Also, ich weiß nicht«, sagte sie.
»Ach was. Charles ist in Sussex und du kannst dich nicht die ganze Zeit verstecken. Wir haben auch ein Leben.«
Anders als bei Ediths Abenden mit Charles parkten sie am Platz und gingen zu Fuß zum Eingang. Simon war erst einmal dort gewesen und grinste von einem Ohr bis zum anderen, als sie die Treppe hinunterstiegen. Edith fühlte sich weniger selbstsicher, und gleich
nach dem Eintreten wusste sie, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hatte. Der Besuch hier war ein großer Fehler. Der zuständige Bedienstete ließ es bei seiner Begrüßung an Liebenswürdigkeit nicht fehlen. »Lady Broughton« – er machte eine Pause, um Simon zu mustern –, »sind Sie mit jemandem verabredet? Kann ich Bescheid geben, dass Sie hier sind?«
Edith stieg die Röte in die Wangen. »Eigentlich nicht. Wir haben uns nur gefragt, ob wir kurz hereinschauen können.«
Wieder war die Antwort ausgesprochen höflich. »Ich wusste nicht, dass Sie Mitglied sind, Mylady.«
»Nun, ich bin auch keins. Charles – Lord Broughton – ist Mitglied, und ich dachte nur …« Sie verstummte vor dem bedauernden Lächeln des Livrierten.
»Tut mir sehr Leid, Mylady …«
Wäre ihnen das Schicksal gnädig gewesen, hätte die Sache hiermit ein Ende gehabt, doch genau in diesem Moment ging die Tür auf und Edith wurde ganz beklommen zumute, als sie die schrille Stimme Jane Cumnors hörte. Sie drehte sich um und lächelte direkt in das massige, verschwitzte Gesicht von Henry, der hereinwalzte und schnaufend vor Anstrengung die Treppe hinunterstieg. Jane verstummte den Bruchteil einer Sekunde, während sie Edith und natürlich Simon registrierte. Dann kehrte ihr Lächeln zurück.
»Edith! Wie nett!« Sie küsste sie kühl auf beide Wangen. »Willst du uns nicht vorstellen?«
»Simon Russell. Lord und Lady Cumnor.« Edith wusste nicht, warum sie sich nicht mit den Vornamen begnügt hatte. Hatte sie womöglich das Bedürfnis, Simon zu beeindrucken? Nach dem Abend, den sie gerade hinter sich hatten?
Jane warf ihr einen etwas zugeknöpften Blick zu. »Kommt ihr auch rein?«
Edith wollte gerade sagen, dass sie am Gehen waren, als Simon ihr zuvorkam. »Sie lassen uns nicht rein. Offenbar muss man Vollmitglied sein.« Ihm war das Ausmaß des Verrats nicht klar, den er damit an Edith beging. Er wollte einfach in den Club, und soweit er sehen
konnte, standen da zwei Leute, die dies für ihn bewerkstelligen könnten.
Doch Henry ließ sich nicht überrumpeln. Er spürte, worauf die Sache hinauslief, und nickte kurz. »Edith«, sagte er und ging an ihr vorbei den Gang entlang zur Bar.
Jane lächelte matt. »Wie dumm für euch«, murmelte sie. »Ich bin auch kein Mitglied. Hm, ich könnte ja Henry nochmals herbitten, wenn du willst …«, sagte sie mit ersterbender Stimme, um zu zeigen, dass sie nicht den geringsten Wunsch verspürte, ihren eigenen Vorschlag in die Tat umzusetzen, und Edith ließ es gut sein.
»Nein, nein«, sagte sie, »völlig unnötig. Es ist sowieso schon spät. Ich weiß gar nicht, warum wir noch gekommen sind.« Sie küsste Jane flüchtig; Simon plusterte sich neben ihr in der Hoffnung auf, er dürfe nun mit hineinkommen, denn was sich da abspielte, war völlig an ihm vorbeigegangen. Und dann waren sie wieder
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