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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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ihren Dienst gut versehen, das wusste sie, auch wenn sie bei jedem Schritt wie die kleine Meerjungfrau auf Messern hätte gehen müssen. Und alle diese Fantasien waren auf ihre Tochter übergesprungen, die sie auf wunderbare Weise wahr werden ließ. Doch anstatt dass Edith den Vorsitz über das Rote Kreuz oder einen Platz im Hofstaat einer der Prinzessinnen angetragen bekam, hatte das Telefon geklingelt und Mrs. Lavery musste erfahren, dass alles vorbei war. Dass ihr Traum zerplatzt war. Und als Bodensatz der Schlammgrube, in der sie nun versank, erwartete sie das bittere Bewusstsein, dass in ganz London die Leute den Kopf schüttelten und sagten, Charles habe letztlich doch unter seinem Stand geheiratet, Edith sei ein kleiner Niemand und mit ihrer gesellschaftlichen Position einfach nicht fertig geworden, und er hätte lieber bei seinesgleichen bleiben sollen.
    Es klingelte, doch bevor die Laverys die Tür öffnen konnten, hatte Edith schon selbst aufgeschlossen und rief ihnen durch die Wohnung entgegen. Sie ging mit Simon ins Wohnzimmer, eilte zu ihrem Vater und küsste ihn. Er drückte sie liebevoll, und da wusste sie, dass zumindest er keine Schwierigkeiten machen würde, als sie ihn zu Simon hinüberführte und die beiden miteinander bekannt machte. Doch ein Blick auf ihre Mutter, die wie eine Statue in der Tür stand, sagte ihr deutlich genug, was an diesem Abend noch alles auf sie zukommen würde.
    Mrs. Lavery trat steif heran und streckte eine Hand aus. Doch sie konnte sich kein Lächeln abringen, und es war fast eine Erleichterung, dass sie Simons ungeschickte Smalltalk-Bemühungen beiseite fegte, sobald Kenneth die Getränke holte, und unverblümt zur Sache kam. »Sie werden verstehen, dass das alles sehr schwierig für uns ist, Mr. Russell.« Sie ging über seine Bitte, ihn Simon zu nennen, stur hinweg, in dieser Taktik ihrem Vorbild Lady Uckfield nicht unähnlich,
obwohl sich Lady Uckfield natürlich viel umgänglicher gegeben hätte. »Wir haben beide unseren Schwiegersohn sehr gern. Deshalb werden Sie es uns verzeihen, wenn wir Ihnen nicht um den Hals fallen.«
    Simon lächelte und zwinkerte dabei ein wenig, was sonst seine Wirkung nie verfehlte. »Ich versichere Ihnen, das Um-den-Hals-Fallen ist nicht obligatorisch«, murmelte er heiter.
    Mrs. Lavery erwiderte sein Lächeln nicht. Nicht dass sie blind für männliche Schönheit gewesen wäre. Sie sah durchaus, dass Simon einer der attraktivsten Männer war, denen sie je begegnet war, doch in ihren Augen war seine Schönheit der Grund für den Ruin ihrer Tochter. Nichts weniger. Sie hätte bedenkenlos ein Messer genommen und seine Züge verunstaltet, wenn sie Edith damit zur Umkehr hätte bewegen können. »Meine Tochter war …« – sie hielt inne – »… ist mit einem großartigen Mann verheiratet. Sie haben sich über Ihr Tun offenbar bereits Gedanken gemacht, aber für uns ist es schwer, mit anzusehen, wie bedenkenlos Edith ihr Ehegelübde bricht.«
    »Wenn ich Simon wegen Charles verlassen hätte, würden sich allerdings auch deine Bedenken in Grenzen halten«, warf ihre Tochter ein.
    Damit hatte Edith voll ins Schwarze getroffen, so sehr, dass der mit einem Tablett voller Gläser zurückkehrende Mr. Lavery kurz lächelte. Doch Edith vergaß, dass Mrs. Lavery sich zu Hekuba, der edlen Witwe, stilisiert hatte. In Stellas konfusem Denken waren sie selbst und Googie Uckfield zwei hochwohlgeborene Opfer einer kosmischen Katastrophe (sie redete von Lady Uckfield als Googie, auch wenn sie sie mit diesem Namen noch nie angesprochen hatte. Und jetzt, dachte sie traurig, würde sie dazu keine Chance mehr bekommen). Ironie hatte in ihrem Leiden keinen Platz. Mit Tränen in den Augen sah sie ihre Tochter an.
    »Wie wenig du mich kennst«, sagte sie und zog sich majestätisch in die Küche zurück. Edith, ihr Vater und Simon starrten einander an.
    »Na, vermutlich wussten wir alle, dass der Abend ganz schön hart werden würde«, sagte Mr. Lavery und kippte seinen Whisky.
    Als sie später im bescheidenen Esszimmer der Wohnung am ovalen
Tisch saßen, einer Regency-Reproduktion, brachten die vier doch noch eine einigermaßen normale Konversation zustande. Mr. Lavery stellte Simon Fragen über die Schauspielerei und Simon stellte Mr. Lavery Fragen übers Geschäft und Mrs. Lavery trug die Speisen auf und räumte die Teller ab und machte den ganzen Abend ausgesucht höfliche Bemerkungen. Sie besaß dieses einzigartige englische Talent, durch übertriebene

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