Snobs: Roman (German Edition)
Grund oder – eher wahrscheinlich – weil sie gelegentlich etwas kaufte, stand sie auf diversen Gästelisten, wurde zu diesen glanzvollen Ereignissen eingeladen und stets mit hervorragenden Plätzen bedacht. Sie und Adela waren seit ihrer Kindheit befreundet, deshalb ließ sie meine Frau an ihrem Glück regelmäßig teilhaben. Als Adela und Louisa ihre Verabredung trafen, wussten wir nicht, dass unsere alte Bekannte Annette Watson, ebenfalls eine Kundin von Hardy Amies war. Sie war, wie gesagt, in den Siebzigerjahren eine Leinwandschönheit gewesen und hatte sich immer bereitwillig von den Fotografen ablichten lassen, wo es einen Mangel an wirklichen Berühmtheiten gab; jetzt sah man sie
öfter in Hochglanzzeitschriften, in Designermode gekleidet, was sie bei solchen Galaveranstaltungen zu einem willkommenen Gast machte. Annette ging es damals ausgezeichnet, zum großen Teil deshalb, weil der langweilige Bob entgegen allen Voraussagen in den überhitzten Neunzigerjahren den Sprung von den Wohlhabenden zu den Superreichen geschafft hatte. Ich entsinne mich, dass sein Erfolg irgendwie mit der New-Economy-Revolution zusammenhing, auch wenn ich mich an seine genaue Tätigkeit nicht erinnere. Jedenfalls warf sie offensichtlich einen schönen Gewinn ab. In den zwei, drei Jahren seit jenem Mallorcaurlaub bei Eric, dem sie als Gäste so peinlich gewesen waren, hatten sie ihre gesellschaftliche Position gefestigt und verfügten zumindest in London über ein sehr befriedigendes Adressbuch. In Lady Uckfields exklusiven Zirkel waren sie nicht vorgedrungen, hatten aber gute Beziehungen zu einigen jüngeren Marchionesses von weniger gutem Ruf und anderen Mitgliedern des Jetsets, die damals in der Londoner Szene den Ton angaben. Hello hatte sogar ein Foto von Annette bei einem Einkaufsbummel mit der Duchess von York gebracht. Im Großen und Ganzen war sie mit ihrem Leben zufrieden.
Einen beträchtlichen Teil dieser Zufriedenheit bezog Annette daraus, dass sie nun in der Lage war, die Einladungen der Chases abzulehnen, die sie in letzter Zeit immer mehr bedrängten. Caroline Chase war dies selbstredend ziemlich egal, doch Erics undurchsichtige Geschäfte im Bereich, den er optimistisch als »Unternehmensberatung und Public Relations« bezeichnete, hatten unter der Rezession stark gelitten. Solche Dienstleistungen gehörten zu den ersten Einsparungen der unter großen Druck geratenen Firmen, die ebenso rasch aufgeblüht waren, wie sie nun allem Anschein nach wieder eingehen würden. Eric glaubte, dass eine kleine Unterstützung von Bob Watson für ihn eine große Hilfe sein könnte. Dies wäre wohl der Fall gewesen, doch die Unterstützung wurde ihm vorenthalten – vielleicht wegen jenes katastrophalen Dinners in Fairburn Hall. Die Chases oder zumindest Eric waren für die gesellschaftliche Erfolgsstrategie der Watsons nicht mehr notwendig. Außerdem rechnete man damit,
dass Eric bald von der Bildfläche verschwinden würde. Es war bekannt, dass sie von Carolines Geld lebten, und in ihrem Umfeld wurden langsam Fragen laut, wie lange dies noch so weitergehen würde. Vor allem, da es keine Kinder gab, die die Lage erschwerten. In Carolines Kreisen sah man nicht viel Sinn in einer Ehe mit einem Mann, der sowohl gewöhnlicher Herkunft als auch mittellos war. Obwohl ich die Werte dieser Leute in vielem ablehne, muss ich gestehen, dass ich im Fall eines dermaßen aggressiven Menschen wie Eric Chase volles Verständnis für eine solche Einstellung aufbringe.
Ich freue mich berichten zu können, dass eine Freundin, die Edith nicht hatte fallen lassen, um sich automatisch auf Charles’ Seite zu stellen und es sich mit den Broughtons nicht zu verderben, eben diese Annette Watson war. Denn Edith hatte ihre Entscheidung teuer bezahlt. Eigentlich kann ich den meisten ihrer Bekannten keinen Vorwurf machen. Sie waren ursprünglich Charles’ Freunde gewesen, und man konnte nicht umhin, Edith schlechtes Benehmen vorzuwerfen. Doch das war nicht der wahre Grund, warum sich alle um die Broughtonsche Fahne sammelten. Sie wären auch wie ein Mann auf Charles’ Seite geblieben, wenn er Edith geschlagen und sich einen Harem aus Revuetänzerinnen auf dem Dachboden gehalten hätte. Doch man muss wohl einräumen, dass sich in diesem besonderen Fall schwerlich mit ihnen streiten ließe. Annette jedenfalls hatte ihre alte Freundin nicht im Stich gelassen, zum Teil, weil sie wusste, dass Charles und seine Mutter ihr wenig Sympathie entgegenbrachten, zum
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