Snobs: Roman (German Edition)
einer Landlebenserie vorsprechen wolltest!«
»Ich bin wirklich zu dumm. Ich habe meiner Mutter versprochen, heute mit ihr zu einer Lunchparty zu gehen, und hab’s völlig verschwitzt. Deshalb hat sie angerufen. Kannst du mir verzeihen?«
»Eine Lunchparty bei wem?«
»Bei irgendwelchen Cousinen auf dem Land.«
»Du hast doch gar keine Cousinen auf dem Land. War das nicht der Knackpunkt?« Dies war einer der seltenen klarsichtigen Momente, in denen Simon einmal einen größeren Zusammenhang erfasste. Es war wirklich der Knackpunkt.
»Ich hab schon welche, aber ich rede nie über sie. Sie sind todlangweilig.«
»Das heißt also, du willst nicht, dass ich mitkomme.« Simon konnte es gar nicht leiden, wenn er ausgeschlossen wurde. Zumindest musste die Entscheidung ihm überlassen bleiben. Es machte ihm nichts aus, wenn er eine Einladung ablehnen musste, weil er anderweitig beschäftigt war; diesen Zustand genoss er sogar. Doch der Gedanke, dass jemand keinen Wert auf seine Gesellschaft legte – und wenn es auf dem Weg zum Briefkasten war –, verletzte ihn zutiefst.
Edith lächelte ihn sehnsüchtig-bedauernd an. »Ich wünschte, es wäre möglich. Aber meine Mutter möchte eine Weile mit mir allein sein – sie hat mich eigens darum gebeten. Vermutlich will sie sich alles von der Seele reden.« Sie zuckte dazu mit den Achseln zum Zeichen, dass jeder Einwand zwecklos wäre.
»Sag nur Nettes über mich.«
Sie schenkte ihm ein warmes, bestärkendes Lächeln in dem Bewusstsein, dass sie bereits seine Entthronung plante, und ging nach unten ins Schlafzimmer, ihren Mantel holen. Sie wollte Simon nicht erzählen, wohin sie ging, weil sie damit eine Riesenszene provozieren würde, ohne sicher zu sein, was sie am Ende des Tages erreicht hätte. Sie war absolut nicht darauf erpicht, dass er wutentbrannt zu seiner Frau stürmte und sie am Abend in eine leere Wohnung zurückkehren müsste.
An diesem Morgen, als sie ihr Erbrochenes in der Toilette schwimmen sah, hatte sie nämlich beschlossen, sich keinen Tag länger abwimmeln zu lassen. Sie würde noch an diesem Vormittag nach Broughton fahren und dem Löwen – oder vielmehr dem Jungen der Löwin – in seiner Höhle entgegentreten. Als sie die A 22 entlangraste, begriff sie nicht, warum sie zu dieser Entscheidung so lange gebraucht hatte. Charles war ihr Mann und sie begab sich schließlich nur zu ihrem ehelichen Wohnsitz. Dagegen konnte niemand etwas einzuwenden haben.
Auf sie wartete eine unangenehme Überraschung, da sie vergessen hatte, dass das Haus im Sommer samstags zur Besichtigung geöffnet
war. Das hatte sie bei ihren Planungen nicht berücksichtigt, und so befand sie sich in der ein wenig lächerlichen Lage, entscheiden zu müssen, ob sie im Hof parken und den Privateingang benutzen oder aber durch den Publikumseingang eintreten und sich zwischen Touristen und Hausfrauen aus Brighton ins Innere des Hauses vorarbeiten sollte. Sie fasste den kühnen Entschluss, Letzteres zu tun. Wenn sie am Privateingang klingeln würde, stünde reichlich Zeit zur Verfügung, um ihr in den Weg zu treten. Sie spekulierte darauf, dass sich Charles in seinem Arbeitszimmer neben der Bibliothek aufhielt. Sie würde nur einen kurzen Moment benötigen, um unter dem Absperrseil durchzuschlüpfen und die Tür zu öffnen, und sie konnte mit gutem Recht annehmen, dass keiner der Aufpasser sie daran hindern würde. Sie sprach sogar bewusst die freundliche Frau im Tweedkostüm an, die die Tickets entgegennahm. »Hallo, Mrs. Curley, wie geht es Ihnen? Darf ich schnell hier durchschlüpfen? Macht es Ihnen etwas aus?« Edith hatte sich von der Familie ihres Mannes den Trick abgeschaut, um etwas als einen Gefallen zu bitten, was man ihr ohnehin nicht abschlagen könnte. »Ach, Mrs. XY, würden Sie es auf sich nehmen aufzubleiben, bis wir nach Hause kommen? Wäre das eine schreckliche Zumutung für Sie?« Die arme Frau, die einer solchen Anfrage ausgesetzt ist, weiß natürlich genauso gut wie ihr Arbeitgeber, dass dies in Wirklichkeit bedeutet: »Sie gehen mir nur ja nicht ins Bett, bevor ich zurückkomme«, doch geschickt formuliert lässt sich dem Befehl auch noch das Deckmäntelchen der Menschenfreundlichkeit umhängen. Auch dies gehört zur bewussten Selbststilisierung der Aristokratie. Man ist stolz auf seinen »wunderbaren Umgang mit den Dienstboten«, was in der Regel bedeutet, dass man mit der liebenswürdigsten Stimme unverfrorene Forderungen stellt.
Mrs. Curley war bei diesem
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