Snobs: Roman (German Edition)
musste sie sich damit abfinden, dass man sie übergangen
hatte. Es wurde Zeit für einen Alternativplan. Sie brütete über ihrem Adressbuch und ging die sauber mit Bleistift geschriebenen Namen durch. Das Eintragen mit Bleistift hatte sie von ihrer verhassten Schwiegermutter übernommen. So ließen sich die Einträge leichter entfernen, wenn jemand umzog oder sein Nutzen sich endgültig erschöpft hatte. An jenem Vormittag studierte sie Seite um Seite auf der Suche nach jemandem, der ihr helfen würde. Mangels Besserem wählte sie schließlich Tommy Wainwrights Nummer. Arabella meldete sich und Edith fragte nach Tommy, was am anderen Ende erst einmal mit kaltem Schweigen erwidert wurde, bevor sich Arabella zu einer Antwort herbeiließ.
»Ich fürchte, er ist im Parlament.«
»Wann kommt er denn zurück?«
»Hm, zurzeit ist er schrecklich beschäftigt. Kann ich helfen?«
Nein, dachte Edith. Das kannst du nicht und würdest es auch nicht. »Eigentlich nicht«, sagte sie leichthin. »Ich möchte keine Umstände machen. Richte ihm einfach aus, ich hätte angerufen.«
»Selbstverständlich.« Arabellas ausdrucksloser Tonfall ließ erkennen, dass sie keineswegs die Absicht hatte, aber schließlich wurde ihr bei dem Gedanken unbehaglich, sie könnte bei einer Lüge ertappt werden, deshalb gab sie die Nachricht tatsächlich an ihren Mann weiter, drängte ihn aber, wie vorauszusehen, er solle sie ignorieren. Edith hatte dieses Szenario oder Ähnliches gedanklich schon durchgespielt und war deshalb sehr überrascht, als am selben Abend das Telefon klingelte und sie Tommys Stimme hörte.
»Ich will Charles sehen und alle halten mich davon ab«, sagte sie nach dem üblichen Austausch von Höflichkeiten.
»Warum?«
»Weil sie Angst vor Googie haben oder weil sie es sich mit der Familie nicht verderben wollen. Ich weiß auch nicht, warum.«
Tommy machte eine kurze Pause. Die Bitte war vielleicht nicht ausgesprochen worden, stand aber doch im Raum. »Ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Das will ich auch nicht, ich will ihn einfach sehen.«
Wieder Schweigen. Dann sagte Tommy mit einer Art Seufzer: »Er kommt Mittwoch gegen sieben auf einen Drink zu uns. Da könntest du vorbeischauen.«
»Das werde ich dir nie vergessen.« Ediths Stimme klang bewegt, Tommy konnte sich leicht ausmalen, wie sie sonst von ihren früheren Bekannten behandelt wurde.
»Aber versprich dir nicht zu viel davon«, sagte er. Er war sich schließlich voll bewusst, gegen welche Mächte sie da antrat.
Ich war bereits im Salon der Wainwrights, als Edith ankam. Es war keine große Gesellschaft, vielleicht zwanzig, dreißig Personen, die nichts Besseres vorhatten. Sie hatten sich pflichtschuldig in dem beengten ehemaligen Kutscherhäuschen in der Nähe der Queen Anne Street eingefunden, um den Abend mit ein paar Räucherlachsröllchen von Marks & Spencer und einigen Flaschen Champagner von Majestic zu beginnen. Das Treffen hatte seinen Höhepunkt bereits überschritten und die Gäste brachen langsam auf, dem Ruf ihrer Restaurantreservierung, Theaterkarten oder Babysitter folgend, als Edith durch die Tür kam. Sie lächelte in freudiger Erwartung, doch ich sah, wie ihre Gesichtszüge nach einem prüfenden Blick durch den Raum enttäuscht nach unten sackten. Ich ging zu ihr.
»Sag bloß nicht, Charles ist schon weg. Ich bin im Stau gestanden und sowieso zu spät aufgebrochen.«
Warum, ließ sich leicht erkennen. Sie hatte auf ihre Erscheinung äußerste Mühe verwendet und ich konnte mich nicht entsinnen, sie jemals in besserer Form gesehen zu haben; ihr hübsches Gesicht strahlte makellos, ihre Haare glänzten und ein verführerisches Abendkleid schmiegte sich um ihre ohnehin begehrenswerten Formen.
»Kein Grund zur Sorge«, murmelte ich beruhigend. »Er ist noch nicht hier.«
»Aber kommt er denn?«
»Vermutlich schon. Tommy hat es jedenfalls gesagt.«
»Mir hat er das auch gesagt, aber wo bleibt er dann?«
Sie biss sich verärgert auf die Lippe, als einige ihrer früheren
Freunde widerstrebend beschlossen, ihre Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen, und sie in ein Gespräch verwickelten. Adela kam zu mir.
»Was macht Edith denn hier?«, fragte sie. »Ich dachte, dies wäre das feindliche Lager.«
»Nicht unbedingt. Tommy hat wohl versucht, sie zusammenzubringen.«
»Du versetzt mich in Erstaunen. Vor zwei Tagen bin ich Arabella bei Harvey Nicks über den Weg gelaufen und sie sagte, die Trennung wäre das Beste, was passieren
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