Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
Vom Netzwerk:
gehandelt, aber ich war nicht scharf drauf, mich in die gleiche Lage zu bringen, auch wenn das vielleicht feige von mir war. Ich wiederholte nicht, was Arabella über die sechs Monate gesagt hatte, wahrscheinlich, weil ich mich immer noch nicht damit befassen wollte.
     
    Einige Tage später wachte Edith auf, als sie sich in die Toilettenschüssel übergab. Sie musste sich im Halbschlaf dorthin getastet haben und wurde erst beim Erbrechen richtig wach. Erst als sie das Gefühl hatte, sie hätte auch die letzten Reste ihrer Magenschleimhaut von sich gegeben, hörte der Würgreiz auf; sie rang nach Luft und setzte sich hin. Simon kam mit dem schnurlosen Telefon zur Tür. Er schlief nackt, und normalerweise hatte der Anblick seiner göttlichen Gestalt eine positive Wirkung auf sie, doch heute waren seine muskulösen Reize an ihr verschwendet.
    »Geht’s dir gut?«, fragte er überflüssigerweise.
    »Das müssen diese Krabben gewesen sein«, sagte sie, denn sie wusste noch genau, dass er die Suppe genommen hatte.
    »Du Arme. Aber es ist das Beste, wenn alles draußen ist.« Er lächelte, hielt ihr den Hörer hin und sagte lautlos und mit einer komischen Grimasse: »Deine Mutter.« Edith nickte und streckte die Hand nach dem Hörer aus. »Ich mach Kaffee«, sagte Simon und ging in die Küche.
    Edith wischte sich den Mund ab und ordnete ihre Gedanken. »Mummy? Nein, ich war im Bad.«
    »Warst du das, der sich da übergeben hat?«, fragte Mrs. Lavery.
    »Ich weiß nicht, wer es sonst gewesen sein könnte.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Natürlich ist alles in Ordnung. Wir waren gestern Abend in einem fürchterlichen Restaurant in Earl’s Court, das ein gescheiterter Schauspieler aufgemacht hat, ein Bekannter von Simon. Ich hab Meeresfrüchte gegessen. Ich muss wahnsinnig gewesen sein.«
    »Ich dachte mir schon letztes Mal, dass du ein bisschen blass um die Nase aussiehst.« Edith hatte ihre Mutter letzte Woche bei einer erfolglosen Suche nach einem Hut begleitet. Ein Anlass, der den meisten Leuten die Farbe aus dem Gesicht getrieben hätte, doch Edith sagte nichts. »Dann bist du also nicht krank?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Du würdest es mir doch erzählen, wenn etwas … etwas wäre, oder nicht?«
    Ihre Mutter war die Letzte, der Edith etwas anvertrauen würde, doch jetzt hatte es keinen Zweck, darüber zu debattieren. »Natürlich würde ich das«, sagte sie. Es entstand eine Pause.
    »Und vermutlich gibt es nichts Neues. In … der Sache.«
    »Nein.«
    »Ach, Kleines.« Edith mochte noch so gereizt sein, ihre Mutter tat ihr doch Leid. Sie musste ihr zugestehen, dass sie bei aller Seichtheit ihrer Werte doch echte Gefühle hatte. Vor allem Bedauern. »Du wirst keine … Schritte unternehmen, die du später bereust, nicht?«
    »Was für Schritte?«
    »Ich meine … du wirst die Brücken hinter dir nicht abbrechen, bis du sicher bist … ?«
    Edith war an den schier unerschöpflichen Klischeevorrat ihrer Mutter gewöhnt und brauchte keinen Übersetzer, der ihr erklärte, worüber sie eigentlich redeten. Seltsamerweise hatte die Frage ihrer Mutter trotz ihres dürftigen Vokabulars Ediths Gedanken wieder auf das zentrale Thema gelenkt. Als sie das Gespräch beendete und auflegte, wusste sie, dass es Zeit war zu handeln.
    Es war Samstag, normalerweise ein erfreulicher, angenehmer Tag für sie, der mit Zeitunglesen, einem Lunch irgendwo in der Stadt, vielleicht einem Kinobesuch und einem Abendessen bei Freunden verbracht wurde, doch als Edith sich anzog, war ihr klar, dass kein solcher Tag vor ihr lag. Sie wählte ihre Garderobe mit Sorgfalt aus, sportlich-rustikal, vornehm, unauffällig, Rock und Pullover genau des Typs, dem sie erst vor kurzem mit religiöser Inbrunst abgeschworen hatte. Genau wie damals, als sie sich für Hardy Amies’ Modenschau zurechtmachte, war sie sich bewusst, dass ihre beiden Leben zwei verschiedene Arten von Kleidung erforderten. Die Tochter eines Herzogs kann es sich vielleicht leisten, bei einer Abendgesellschaft in Shropshire in einem nuttigen Boutique-Fummel aufzutauchen, und würde vielleicht sogar wegen ihrer aristokratischen Exzentrik bewundert. Doch Edith konnte sich eine solche Freiheit nie herausnehmen. Hätte sie es gewagt, ihre Londoner Garderobe auf dem Land zu tragen, dann hätte man dies in Charles’ Kreisen als Bestätigung ihrer schlechten Erziehung betrachtet. Als sie in die Küche kam, sah Simon überrascht hoch. »Wahnsinn! Du siehst ja aus, als ob du für eine Rolle in

Weitere Kostenlose Bücher