Snobs: Roman (German Edition)
nach ihrem Aufbruch standen sie im Foyer des Hotels. Es war erst halb sechs, und Edith hatte keine genaueren Vorstellungen, wie es nun weitergehen würde.
Sie hätte gern vorgeschlagen, unten zu bleiben und Tee zu trinken, doch da dies die völlige Abwesenheit des glühenden Wunsches verraten hätte, mit Charles allein zu sein – leider ihre wahren Gefühle – , verwarf sie die Idee wieder. Sie wurden in die Hochzeitssuite geführt, die sie nicht verlangt, aber trotzdem bekommen hatten; die Preisdifferenz war ein Geschenk des Hauses nach dem uralten Grundsatz: »Wer hat, dem soll gegeben werden.« Dort erwartete sie bereits ihr Gepäck, dazu Blumen, Obst und noch mehr vom endlos sprudelnden Champagner. Dann wurde die Tür geschlossen, und sie waren allein. Verheiratet. Sie sahen einander schweigend an. Die Erkenntnis der Realität traf Edith wie ein Schlag: Diesen Mann würde sie mehr oder weniger täglich sehen, ihr ganzes restliches Leben lang. Ein leiser Anflug von Panik überkam sie. Worüber um alles in der Welt sollten sie bloß miteinander reden?
Charles deutete auf die Flasche. »Soll ich sie aufmachen?«, fragte er.
»Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich noch etwas trinken könnte. Ich schwimme schon darin.« Sie machte eine Pause. »Ich würde gern baden.«
Sie begann sich so ungezwungen auszuziehen, wie es ihr unter den Blicken von Charles möglich war, der sich aufs Bett gelegt hatte und ihr zusah; doch im letzten Moment versagten ihr die Nerven, noch im BH und Slip riss sie ihren Morgenmantel aus dem Koffer und rannte ins Bad.
Als sie eine halbe Stunde später herauskam, lag Charles immer noch auf dem Bett und las Zeitung. Er hatte seinen Mantel, seine Weste und seine Fliege abgelegt, dazu auch die Schuhe und die Socken, und an seiner bemüht entspannten Haltung erkannte Edith,
dass die Stunde gekommen war. Sie schlenderte zum Bett hinüber und legte sich neben ihn, nackt unter dem Morgenmantel; dann tat sie, als würde sie über seine Schulter in die Zeitung gucken.
»Glücklich?«, fragte er, ohne den Blick zu heben.
»Mhm«, antwortete sie und fragte sich, wie lange er brauchen würde, um zur Sache zu kommen. Jetzt, wo es soweit war, überfiel sie plötzlich große Nervosität. Sie hatte das Bedürfnis, sich ihrer gegenseitigen körperlichen Anziehung zu vergewissern. Dies war schließlich eine Seite ihrer Beziehung, die nichts mit Ehrgeiz oder auch nur mit gemeinsamen Interessen zu tun hatte. Wenigstens zu diesem Zeitpunkt war sie entschlossen, dass diese sexuelle Beziehung für den Rest ihres Lebens ihre einzige bleiben sollte.
Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis Charles die Zeitung zusammenfaltete und sich zu ihr drehte. Mit tödlichem Ernst und in völligem Schweigen (das die ganze Zeit andauern sollte) begann er sie zu küssen und öffnete ungeschickt ihren Morgenmantel. Sie reagierte, so gut sie konnte, und bemühte sich, nicht die Führung zu übernehmen. Als sie diesmal seinen Penis berührte, bäumte er sich zwar immer noch auf wie ein erschrecktes Fohlen, doch er entzog sich nicht. Und so lagen sie da und streichelten einander durch die Kleidung, bis Charles befand, dass genügend Zeit verstrichen wäre; immer noch in völligem Schweigen setzte er sich auf und zog sich das Hemd, die Hose und den Slip aus. Charles hatte eine recht gute Figur, er war muskulös und weder mager noch dick; doch er besaß den typischen Körper des Engländers, eine weiße, leicht sommersprossige Haut, etwas spärliches rotblondes Schamhaar und eine unbehaarte Brust. Seine Adlernase und die gewellten Haare mit dem typischen Public-School-Schnitt nahmen sich zu seinem entkleideten Körper etwas merkwürdig aus, als wäre er im Doppelreiher zur Welt gekommen und Nacktheit als sein natürlicher Zustand zu brutal. Zudem sah er nicht so sehr nackt aus, sondern eher, als hätte man ihm die Haut abgezogen.
Immer noch wortlos drehte er sich mit einem gleichbleibenden Ausdruck wilder Intensität wieder zu ihr, begann sie unter Vermeidung
direkten Blickkontakts zu küssen und legte gleichzeitig seine rechte Hand auf ihre Vagina. Als die richtige Stelle ertastet war, begann er Edith mit einer Art Pumpbewegung zu massieren, die sie an das Aufblasen einer Luftmatratze erinnerte. Sie stöhnte leicht, um ihn zu ermutigen. Mehr brauchte es nicht; plötzlich wuchtete er sich zwischen ihre Schenkel, schob sich etwas ungeschickt in sie hinein und stieß einige Male mit den Hüften – nicht öfter als höchstens
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