Snobs: Roman (German Edition)
so dass wir anschließend leicht zum Empfang gelangen konnten. Ich war nie weiter gekommen als bis zu den Tischen in der unteren Galerie des Palasts, wo man in jenen Tagen seinen Anstecker für Ascot abholen konnte; ich reihte mich in die lange Schlange ein, in der noch keiner mit Getränken versorgt war, und wartete gespannt, was die Prunkräume zu bieten hätten. Wir schoben uns das große Treppenhaus hoch, vorbei am lebensgroßen Porträt des in seiner Zügellosigkeit gut getroffenen Charles II., durch einen kleinen, mit dunklen Wandteppichen üppig behängten Vorraum, in dem wir endlich ein Glas des unvermeidlichen Champagners erhielten, und dann in den ersten der drei riesigen, in Rot, Weiß und Gold gehaltenen Säle hinein. Empfangen wurden die Gäste nicht von Mrs. Lavery, die ich schon viele Male getroffen hatte, sondern von Lady Uckfield, die
mich namentlich begrüßte und mir zu meiner Überraschung die Wange zum Kuss hinhielt.
»Ich habe gesehen, wie emsig Sie in der Kirche am Werk waren«, säuselte sie mit ihrem typischen Tonfall, als ließe sie mich an einem pikanten Geheimnis teilhaben, in das nur ich Einblick hätte. »Was für ein Freudentag.«
»Wir hatten viel Glück mit dem Wetter.«
»Ich glaube, wir hatten überhaupt viel Glück.« Damit entließ sie mich und schob mich schräg zu ihrem Mann weiter, der selbstredend keine Ahnung hatte, wer ich war; und nach einem Händedruck schlenderte ich in die Menge hinein. Offensichtlich bemühte sich Lady Uckfield, nett zu mir zu sein, weniger offensichtlich waren für mich ihre Gründe. Wahrscheinlich wollte sie den Einzigen von Ediths Freunden, den Charles mochte, auf ihre Seite ziehen. Sie wollte alle Versuche Ediths, einen Gegenhofstaat zu etablieren, von vornherein unterlaufen. Das heißt, wenn sich jemand anpassen müsste, dann Edith und nicht sie. Ich möchte keine Vermutung wagen, wie bewusst ihr das war, doch bin ich mir ziemlich sicher, dass solche Motive dahintersteckten. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass sie damit Erfolg hatte und wir alle die uns zugedachten Rollen spielten. Von Anfang an bezirzte mich Lady Uckfield mit ihrer Fähigkeit, Koketterie und unumschränkten Herrschaftsanspruch zu verbinden, und wenn Lady Uckfields Interessen im Spiel waren, bin ich Edith wohl kein nützlicher Freund gewesen.
Bei der offiziellen Begrüßung hatte ich mit Edith kaum gesprochen, und als ich murmelnd und nickend an den verschiedenen plaudernden und Küsschen verteilenden Grüppchen vorbeischritt, erwartete ich auch nicht, dass ich mich länger mit ihr unterhalten könnte. David und Isabel waren natürlich auch da, doch ich sah, dass sie nicht in den St. James’s Palace gekommen waren, um mit mir zu plaudern, also überließ ich sie ihren Gesprächen und schlenderte in einen weiteren riesigen, in Scharlachrot und Gold gehaltenen Raum, der vom ersten Saal seitlich abzweigte. An den damastbespannten Wänden hingen überlebensgroße Ganzporträts, größtenteils Stuarts. Unter
einem davon blieb ich stehen; den halb geschlossenen Augen und dem üppigen Dekolleté der Dame nach hätte ich auf Nell Gwynn getippt (die zwar keine Stuart war, aber sicher unter ihnen Dienst tat), doch zu meiner Überraschung las ich auf dem Rahmen, dass es sich bei der schwülen Schönheit um Mary von Modena handelte, Königin und Gemahlin von James II.
Ediths Stimme hinter mir ließ mich zusammenzucken. »Was hältst du bisher von der Darbietung?«
»Es geht nichts über einen Start ganz oben an der Spitze«, sagte ich.
»Es kommt mir äußerst passend vor, dass meine Hochzeit in einem königlichen Palast gefeiert wird, dem traditionellen Ort arrangierter Ehen.«
Ich blickte zum wogenden Busen der Königin hoch. »Ich glaube nicht, dass dieses Arrangement sonderlich viel Überwindung gekostet hat.«
Edith lachte. Eine Minute lang waren wir fast allein im Raum und ich hatte Zeit, ihre Schönheit zu bewundern, die in diesen Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Sie hatte sich für ein Kleid im viktorianischen Stil entschieden, aus elfenbeinfarbener Seide mit einem Webmuster aus winzigen Blütenzweigen, mit breiten Volants und einer Turnüre hinten. Über ihrem dicken blonden Haar schwebte ein Spitzenschleier; gehalten von einem wunderschönen zarten Diamantdiadem, das für ein junges Mädchen gedacht war und an ein tauglitzerndes Spinnennetz erinnerte, nicht eine dieser massiven Metallspangen, die von Witwen in der Oper zur Schau getragen werden und immer aussehen wie aus
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