Snobs: Roman (German Edition)
sehen und daher auch viel Gesprächsstoff; und als sie auf der Piazza Navona unter dem Sternenhimmel aßen oder in Tivoli die brunnengeschmückten Wege der Villa d’Este entlangschlenderten, setzte sich in Edith langsam das Gefühl fest, dass sie doch eine gute Wahl getroffen hatte und das reiche, erfüllte Leben ihrer Träume wirklich vor ihr lag.
Während ihres Aufenthalts begann Charles so liebevoll und ausführlich von Broughton und Feltham zu reden, wie er es bisher noch nicht getan hatte. Vielleicht hatte er gedacht, es würde sie nicht interessieren, bevor sie nicht selbst eine Broughton geworden war. Er liebte seine Güter und seine Aufgaben dort, und da dies alles zu ihren Fantasien passte, die sie vor ihrer Ehe entwickelt hatte, liebte sie diese Seite an ihm und konnte seine Begeisterung teilen. Zu ihrem Entzücken entdeckte sie, dass es ihm bei der Familiengeschichte etwas an Kenntnissen mangelte. Hier wartete ihre Aufgabe! Sie sah sich schon die Möbel und Bilder in einem Katalog erfassen, uralte Tanten einladen und deren Erinnerungen an lange, heiße Sommer im Broughton der Belle Epoque niederschreiben, aus dem Speicher vergessene Bilder eines besonders amüsanten Vorfahren herunterbringen und reinigen lassen. Sie interessierte sich sowohl für Geschichte als auch für Gesellschaftsklatsch – bessere Qualifikationen könnte sie nicht haben. Zwar wurde der Sex nicht wesentlich aufregender, und der Ablauf blieb immer gleich, doch sobald Charles seine Nervosität ihr gegenüber verlor, hielt er wenigstens etwas länger durch. Und als Edith und Charles ins Flugzeug nach Madrid stiegen, die erste Etappe ihrer Reise nach Mallorca, konnten sie einander tief in die Augen schauen und ganz bewusst das glückliche, frisch verheiratete Paar geben.
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Als sie in Palma mitten im Pulk des offenbar vollständigen Fanclubs der Wolverhampton Wanderers aus der Schalterhalle traten, wurden sie von einem runzligen alten Cockney in roten Nylonshorts begrüßt, dessen Gesicht an rissiges Leder erinnerte. Er stellte sich als Erics »Fahrer« vor und würde sie zur Villa bringen. Charles war etwas pikiert, dass er nicht persönlich abgeholt wurde – Edith sollte erfahren, dass bei ihm wie bei vielen sich unkompliziert gebenden Granden Unsicherheit durchbrach, sobald er sich wie ein gewöhnlicher Mensch behandelt fühlte, auch wenn er oft genug behauptete, sich genau das zu wünschen. Sie selbst war einfach froh, dem Flughafen entronnen zu sein und in einem Auto zu sitzen, und allmählich übertrug sich ihre Erleichterung auf ihn. Zum Schluss vergab er den Chases, dass sie zu Hause geblieben waren. Die Fahrt dauerte zweieinhalb Stunden und führte quer über die Insel, durch trockenes Gestrüpp und an armseligen Hütten vorbei. Edith war noch nie auf Mallorca gewesen und wusste nicht, was sie erwartete. Aber als sie aus dem Fenster sah, merkte sie, dass sie Bilder einer Mischung aus Monte Carlo und Blackpool im Kopf gehabt hatte, nicht aber karge Landwirtschaft und Staub wie auf den Ebenen Salamancas. Doch als sie sich Cala Ratjada näherten, nahmen die riesigen Hotelburgen ihrer Fantasie konkrete Betongestalt an, dazu kamen Massen von Menschen – überwiegend respektabel, allerdings mit Mützenaufdrucken wie Kiss me quick eine gewisse Bereitschaft signalisierend – und sämtliche beruhigenden, vertrauten Bilder und Gerüche, die man mit Strandferien verbindet.
Die Villa selbst war ein modernes Gebäude in Hanglage, um einen Innenhof herumgebaut, mit großen, gefliesten Terrassen zur Bucht
hinaus. Sie verfügte über einen privaten Landesteg, der weniger zum Anlegen von Booten als zum Schwimmen diente, so dass ihre Bewohner nicht den übervölkerten Touristensandstrand ein paar hundert Meter weiter links benutzen mussten. Schräg übers Wasser konnte man die nur von spärlichen Bäumen abgeschirmten eleganten Häuser der Mallorquiner sehen, dahinter das weite blaue Meer. Edith und Charles standen da und bewunderten die Aussicht, als weit unter ihnen am Landesteg eine kegelgroße Gestalt zu winken begann und die Stufen hochlief. Ein paar Minuten später erschien Caroline und begrüßte sie mit Küssen und Glückwünschen, im Gegenzug lobten Charles und Edith die Villa.
»Ist sie nicht sagenhaft? Sie gehört einem von Erics Kunden, so dass wir unverschämt günstig wegkommen. Sie ist viel billiger als die Villa letztes Jahr und doppelt so groß. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass wir den ganzen Sommer hemmungslos
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