Snobs: Roman (German Edition)
als Absteige benutzt werden.«
Charles runzelte leicht die Stirn. »Ich dachte, diese Woche wären nur wir beide hier.«
»Ich weiß. Das dachte ich auch. Aber dann hat Peter angerufen, weil dies die einzige Woche ist, in der er weg kann. Und Jane und Henry wollten plötzlich doch noch kommen. Und dann ist noch einer von Erics Geschäftsfreunden samt Gattin aufgetaucht.« Caroline zog kurz die Nase kraus. »Anscheinend hat Eric sie eingeladen und es dann völlig vergessen. Ist das nicht schrecklich? Jedenfalls sind sie jetzt hier und haben uns verziehen.«
»Du meinst, diese ganzen Leute sind jetzt hier? In dieser Woche?«
»In dieser Minute. Sie ziehen sich gerade um und kommen dann zum Dinner hoch. Hat euch schon jemand euer Zimmer gezeigt? Ihr habt das beste, also dürft ihr nicht meckern.«
Charles warf sich aufs Bett und zeigte deutlich, was Edith nur als schlechte Laune bezeichnen konnte. »Himmelherrgott! Ich weiß nicht, warum wir nicht einfach zum Trafalgar Square gefahren sind und ein Zelt aufgestellt haben.«
Edith legte sich neben ihn. »Liebling, das ist doch nicht so
schlimm. Ich bin sicher, alle machen einfach, worauf sie Lust haben. Wir können uns bestimmt abseilen.« Im Grunde hatte sie ein schlechtes Gewissen, da sie bei Carolines Erklärungen plötzlich eine ungeheure Erleichterung verspürt hatte, dass sie nicht nur zu viert wären. Nach ihren bisherigen Erfahrungen mochte sie Eric nicht besonders und fand Caroline ziemlich einschüchternd; auch musste sie zugeben, dass sich die Gespräche zwischen ihr und Charles ein wenig erschöpft hatten. »Später wird es viel leichter sein, wenn wir mehr miteinander erlebt haben«, sagte sie sich, musste sich aber mit einer gewissen Beklommenheit eingestehen, dass sie seine Meinung zu so gut wie allem und jedem bereits voraussehen konnte. Sie hatte als eine Art privates Spielchen außergewöhnliche Themen in die Unterhaltung einfließen lassen, wie Psychosynthese oder den Dalai Lama, in der Hoffnung, sich ein Eigentor einzuhandeln und von seiner Antwort überrascht zu werden. Bisher hatte sie aber noch keinen Punkt abgeben müssen.
Sie begegneten dem Rest der Gesellschaft, als sie sich am Abend auf der obersten Terrasse versammelten. Edith hatte Caroline in den Monaten des Werbens ein wenig gefürchtet, schlicht und einfach, weil sie erheblich intelligenter war als ihr Bruder und womöglich versuchen würde, Charles von ihr abzubringen oder zumindest zur Vorsicht zu warnen. Das mochte auch zutreffen, aber bei allem Snobismus und Egoismus fand sich bei ihr doch keine Heimtücke. Jetzt, da Edith ihre Schwägerin war, hatte Caroline den festen Entschluss gefasst, gut mit ihr auszukommen; genauso entschlossen wollte sie dafür sorgen, dass Charles, den sie sehr und auf eine fast mütterliche Weise liebte, hier eine glückliche Woche erlebte. All dies erkannte Edith, als sie das Wohnzimmer durchquerten und durch die Glastür zu den anderen traten, an Carolines aufrichtigem Lächeln und ihren fast schon rührenden Bemühungen, erlesene Knabbereien und Champagner in Eiskübeln bereitzustellen. Alle Frauen trugen teure Cocktailkleider, die Männer Hemden mit offenem Kragen. Sie sahen unpassend zusammengewürfelt aus, wie eine schlechte Hand beim Quartettspiel. Jane Cumnor trat übertrieben elegant im trägerlosen
schwarzen Moirékleid auf, aber Edith, die sich in ihrem schulterfreien Baumwollkleid sehr wohl fühlte, empfand sie nicht mehr als Bedrohung. Seit ihrer letzten Begegnung hatte sie eine Bresche in Janes Festung geschlagen, außerdem war sie die Hübschere der beiden. Ihre Beziehung hatte über Nacht eine leise Veränderung erfahren, derer sich Jane genauso bewusst war wie Edith. Jane schlängelte sich zu ihr durch und drückte der Braut ein Küsschen auf die Wange. Auch Henry schleppte sich zu ihr und drückte sein Gesicht an ihres. In seinen bunten Sommersachen sah er aus wie eine fahrbare Umkleidekabine aus dem vorigen Jahrhundert. Edith fragte sich, ob vielleicht sein Hemd plötzlich aufgehen und einen ängstlichen Schwimmer im gestreiften Bade-Einteiler enthüllen würde. Caroline erhob das Glas: »Willkommen in der Familie.«
»Ja«, sagte Eric, der hinter den anderen näher am Terrassenrand stand. »Gut gemacht, Edith.«
Die anderen bemerkten seinen Ton, gingen aber darüber hinweg und hoben ihr Glas auf sie wie nach einem ganz normalen Trinkspruch. Edith lächelte, sie und Charles tranken zum Zeichen des Danks ihren Champagner, und alle
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