Snow Angel
angekommen.
In der unteren Etage gibt es sowohl gemütliche Quatschecken mit tiefen breiten Ledersofas als auch eine lange Theke, die gern als Treffpunkt genutzt wird, und die kleine Tanzfläche. Eine rundum laufende Empore ist über eine stählerne Treppe zu erreichen. Hier oben kann man den Tanzenden von den Stehtischen aus zusehen, sich aber auch in kuschelige Sitzecken zurückziehen.
In jeder Faser ist dem Lokal die Handschrift der Betreiber, eines mexikanischen Brüderpaares, anzusehen. Das Angebot verschiedenster Tapas ist riesig. Jedes leckere Häppchen, ob warm oder kalt, ob mit Fisch oder Fleisch, Gemüse oder Käse, wird für die Gäste frisch zubereitet.
Der Tequila wird hier weder mit Limetten und Salz noch mit Orangen und Zimt serviert, wie es zum Erstaunen der beiden Mexikaner in Europa seltsamerweise üblich ist. Viele verschiedene Sorten des Agavenbrandes, alles Direktimporte aus vertrauenswürdigen Destillerien ihres Heimatlandes, werden hier pur gereicht. In dieser Hinsicht hatten sie nicht mit sich reden lassen. Und die Gäste haben es letzten Endes akzeptiert.
Nur die Sache mit der typischen Musik hat ihnen das einheimische Publikum übel genommen. Anfangs war die Tanzfläche allzu oft leer geblieben. Zähneknirschend haben sie sich also dazu entschlossen, dem Geschmack letztlich nachzugeben und einen sehr angesagten DJ engagiert. Seither brummt der Laden.
„We're in heaven“ dröhnt den beiden entgegen, als sie das Paco's betreten.
„Kann ich gerade gar nicht finden“, brüllt Nina Jenny ins Ohr. Die verdreht nur die Augen und brüllt zurück: „Lass uns erst mal an die Bar gehen und eine Kleinigkeit essen. Der kommt schon wieder runter von seiner Chart-List.“
Nina nickt.
Ein paar kleine Köstlichkeiten könnte ich mir jetzt wirklich gönnen. Kauen beruhigt die Nerven.
Sie bahnen sich den Weg durch den rammelvollen Laden und finden tatsächlich noch ein Plätzchen auf den Barhockern am hintersten Ende der langen Theke. Hier ist die Musik wenigstens nicht so laut, dass man sich ständig anschreien muss. Mit etwas Mühe sind durchaus die Worte des Gegenüber zu verstehen.
Nina bestellt sich Nudelschnecken mit Pesto und drei kleine, aufgespießte Tomaten mit Mozarella und frischem Basilikum. Jenny ist mehr nach etwas Warmem. Die Thymian-Hackbällchen in Tomatensoße und Pflaumen im Speckmantel duften verführerisch.
Während Nina sich lieber an Mineralwasser hält, nimmt sich Jenny einen Reposado dazu.
„Du solltest in deinem Zustand vielleicht auch ein Schlückchen nehmen. Das würde dich etwas auflockern“, schlägt sie vor.
„Oh, nein danke. Sicher nicht! Als ich das letzte Mal von Alkohol 'etwas aufgelockert' war, habe ich mir ja das Ganze eingebrockt. Ich bleibe lieber bei klarem Verstand.“
„Du willst mir jetzt nicht erzählen, du hättest dich sittsam geweigert, wenn du nicht besoffen gewesen wärest, gell?“, foppt Jenny und schiebt Nina ihr Glas zu. „Los, komm, einen Schluck darfst du. Du bist ja nüchtern momentan total unerträglich!“
Mit säuerlichem Gesicht nippt sie vorsichtig. Sie hat keine Lust, sich mit Jenny zu streiten, obwohl sie die Wirkung jeder Art von Alkohol auf ihre Gemütslage sehr gut kennt und ihr eigentlich nach allem anderen zumute ist als nach Lockerheit.
Es passiert, was immer passiert, und Jenny ist begeistert.
„Meine Güte, das nach einem einzigen Schluck?! Du bist wirklich nichts gewöhnt. Auf jeden Fall bist du ein billiger Gast.“
Der kleine Schluck hat Ninas Laune derart gehoben, dass sie unruhig auf ihrem Barhocker herumzuzappeln beginnt, als der DJ die erklärte Hymne des Paco's auflegt. Im Nu ist die Tanzfläche voll, denn bei „Entre dos tierras“ hält es die Gäste nie lange auf den Stühlen.
„Komm, lass uns!“, sagt sie und zieht Jenny mit sich ins Gedränge.
Nina lässt all ihren Frust beim Tanzen richtig raus, tobt sich völlig abgehoben aus und realisiert gar nicht, dass die zwei „Unvermeidlichen“, Marc und Dennis, sich immer dichter an sie herantanzen. Jenny muss sie drei Mal anstupsen, bis sie überhaupt reagiert. „Guck mal, wer da schon wieder was von dir will!“, schreit sie ihr ins Ohr.
Nina schüttelt nur den Kopf, schließt die Augen wieder, dreht den beiden einfach den Rücken zu und lässt sich nicht stören, bis die letzten Töne des Titels verklungen sind. Langsam kommt sie aus ihrer Trance wieder zu sich.
Was jetzt kommt, wissen die Stammgäste im
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