Snow Crash
immer nach neuen Mitbürgern Ausschau hält, auch wenn es die ärmsten der armen Flüchtis sind.
»Tut mir leid«, sagt der Wachmann mit kriecherischer, unehrlicher Stimme, »ich wuÃte nicht...« Er deutet auf Hiros PaÃ.
In dem Franchise weht buchstäblich ein frischer Wind. Sie hat nicht das übliche Dritte-Welt-Ambiente, riecht überhaupt nicht nach Urin. Was bedeutet, es muà sich um ein hiesiges Hauptquartier handeln oder etwas Ãhnliches, denn Immobilien von Hongkongs Port Sherman bestehen wahrscheinlich aus nichts weiter als einem Bewaffneten, der in einer Halle in einer Telefonzelle hockt. Aber hier ist es geräumig, sauber und hübsch. Ein paar hundert Flüchtis gaffen ihn durch die Fenster hindurch an; nicht nur die Glasscheiben halten sie auf Distanz, sondern die
Bedrohung durch drei Rattendinger, die an der Mauer lauern. Wie es aussieht, sind zwei davon gerade erst hereingebracht worden. Es zahlt sich aus, die SicherheitsmaÃnahmen aufzupäppeln, wenn das Floà vorbeikommt.
Hiro geht zum Tresen. Ein Mann spricht am Telefon Kantonesisch, was bedeutet, daà er eigentlich brüllt. Hiro erkennt den Prokonsul von Port Sherman in ihm. Er konzentriert sich voll und ganz auf sein kleines Schwätzchen, aber er hat eindeutig Hiros Schwerter bemerkt und beobachtet ihn argwöhnisch.
»Wir sind sehr beschäftigt«, sagt der Mann und legt auf.
»Und jetzt sind Sie noch viel beschäftigter«, sagt Hiro. »Ich möchte gern Ihr Boot chartern, die Kowloon. «
»Es ist sehr teuer«, sagt der Mann.
»Ich habe gerade ein brandneues Supermotorrad mitten auf der StraÃe weggeworfen, weil ich keine Lust hatte, es den halben Block zur Garage zu schieben«, sagt Hiro. »Ich verfüge über ein Spesenkonto, da kringeln sich Ihnen die FuÃnägel.«
»Es ist kaputt.«
»Ich weià Ihre Höflichkeit zu schätzen, daà Sie nicht einfach frei heraus nein sagen wollen«, sagt Hiro, »aber ich weià zufällig, daà es nicht kaputt ist, und daher muà ich Ihre Ausflüchte gleichbedeutend mit einem Nein einstufen.«
»Es ist nicht frei«, sagt der Mann. »Jemand anders benutzt es.«
»Es hat den Pier noch nicht verlassen«, sagt Hiro, »daher können Sie die Buchung stornieren und eine der Ausreden vorschützen, die Sie gerade mir erzählt haben, und dann werde ich Ihnen mehr Geld bezahlen.«
»Das können wir nicht machen«, sagt der Mann.
»Dann gehe ich auf die StraÃe hinaus und sage den Flüchtis, daà die Kowloon in genau einer Stunde nach L. A. aufbricht und sie genügend Platz haben, um zwanzig Flüchtis mitzunehmen, wer zuerst kommt, mahlt zuerst«, sagt Hiro.
»Nein«, sagt der Mann.
»Ich werde ihnen sagen, sie sollen sich mit Ihnen persönlich in Verbindung setzen.«
»Wohin möchten Sie denn mit der Kowloon?« fragt der Mann.
»Zum FloÃ.«
»Oh, warum haben Sie das nicht gleich gesagt«, sagt der Mann. »Dahin will der andere Passagier auch.«
»Sie haben noch einen, der zum Floà will?«
»Das sage ich gerade. Ihren Paà bitte.«
Hiro gibt ihm den PaÃ. Der Mann schiebt ihn in einen Schlitz. Hiros Name und persönliche Daten werden digital ins Bios der Franchiseverwaltung transferiert, und nach etwas Hämmern auf der Tastatur bringt der Mann es dazu, eine laminierte Fotokennkarte auszuspucken.
»Damit kommen Sie auf den Pier«, sagt er. »Gilt sechs Stunden. Sie sprechen sich selbst mit dem anderen Passagier ab. Danach will ich Sie nie wiedersehen.«
»Und falls ich die Dienste des Konsulats noch einmal brauchen sollte?«
»Ich kann immer rausgehen und den Leuten erzählen«, sagt der Mann, »daà ein Nigger mit Schwertern chinesische Flüchtlingsfrauen vergewaltigen will.«
»Hmm. Dies ist nicht gerade die beste Bedienung, die ich je in einem von Mr. Lees GroÃ-Hongkongs erlebt habe.«
»Dies ist keine normale Situation«, sagt der Mann. »Sieh doch zum Fenster raus, du Arschloch.«
Unten am Kai hat sich offenbar nicht viel verändert. Die Orthos haben ihre Verteidigung in der Halle des Spectrum 2000 organisiert: Möbel wurden umgestoÃen, Barrikaden errichtet. Hiro kann sich vorstellen, daà im Inneren des Hotels hektische Betriebsamkeit herrscht.
Es ist immer noch nicht klar, gegen wen sich die Orthos verteidigen. Als Hiro durch das
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