Snuff: Roman (German Edition)

Kerlen gefickt wird, ist sie erledigt.«
    Und Nummer 72 sagt: »Ich kann nicht.« Er fummelt an seinem silbernen Kreuz herum und sagt: »Wenn ich vorher mit ihr reden könnte, dann könnte ich vielleicht.« Er sagt: »Aber seit meine Adoptivmutter mir das erzählt hat, seit sie mir die Wahrheit gesagt hat, habe ich überhaupt nicht mehr gekonnt...«
    Der Junge sieht auf seine schlappen welken Blumen runter.
    Und ich schnippe mit den Fingern, recke einen Arm senkrecht in die Luft – ich schnipse mit den Fingern, richte meine Stimme auf den Fernsehfritzen und sage: »Hey, Teddybärmann, wir haben hier einen Notfall.« Ich sage: »Der Junge braucht eine Pille, sonst wird hier heute keiner von uns berühmt.«
    Ein Licht blitzt auf, hoch über uns und weit weg. Die Tür am oberen Ende der Treppe öffnet sich, und darin erscheint eine schwarze Silhouette. »Meine Herren«, sagt die Silhouette, »ich brauche die folgenden Nummern...«
    Und ich, eine Hand hoch in der Luft, schnipse noch immer mit den Fingern und versuche Hilfe herbeizuwinken.

14
     
    Mr. 72
     
    Was ich Mr. Bacardi erzählt habe, war noch nicht alles. Nicht mal die Hälfte der ganzen Geschichte. Als ich anfing, mir Clips von Cassie Wright runterzuladen, dachte ich immer, vielleicht kann ich sie mal dabei sehen, wie sie etwas strickt, was weiß ich, aus Wolle oder so. Oder ich wollte ihr zusehen, wie sie am Herd Essen kocht. Oder auch bloß, wie sie in einem hübschen Zimmer neben einer Lampe im Sessel sitzt und liest, ohne literweise Sperma im Gesicht. Im Internet, in Foren, wo Fans über jeden Leberfleck und jede Wimper von Cassie Wright diskutieren, über jeden Lippenstift, den sie jemals benutzt hat, analysieren sie auch jeden einzelnen ihrer Blowjobs, als ob sie Hausarbeiten fürs College machen und dafür Extrapunkte kriegen würden. Cassie Wright wurde in Missoula, Montana, geboren. Ihre Eltern sind Alvin und Lenni Wright. Sie leben heute in Great Falls. Und, ja, Cassie Wright hatte ein Kind, das sie vor neunzehn Jahren weggeben hat.
    Beim Surfen im Web habe ich nach Bildern von ihr gesucht, wo sie staubsaugt. Auto fährt. Wo sie Kleider anhat, und wo nichts irgendwo in sie reingestopft wird.
    Ich habe auch Geldanweisungen verschickt, aber nie etwas bekommen. Aber das erste Päckchen, das dann eintraf, war eine Cassie-Wright-Taschenvagina, die limitierte, nummerierte Premiumedition. Nummer viertausendzweihundert. Absolute Museumsqualität. Neuwertiger Zustand. Klein genug, dass sie in meine Hosentasche passte, so dass ich in der Schule ihre Falten und die weichen Haare betasten konnte. Ich saß in Geschichte in der hintersten Reihe, die linke Hand tief in der Tasche, und lernte wie ein Blinder nur mit den Fingern sämtliche Falten und Furchen auswendig. Frag mich nach der Hauptstadt von Wyoming oder Phoenix, ich hab keine Ahnung. Aber frag mich irgendwas über die Möse von Cassie Wright, und ich könnte dir eine Karte zeichnen.
    Wenn man auf die Klitoris drückte, kam sie raus. Noch mal drücken, und sie ging wieder rein. Noch mal drücken, und sie kam wieder raus. Ich hab das so lange gemacht, bis mir fast die Finger geblutet haben. Ich habe mit der Taschenvagina unter meinem Kopfkissen geschlafen.
    Mr. Harlan, mein Lehrer im Technikunterricht – eines Tages, als ich ihm meine Hausaufgaben gab, bemerkte er die Schwielen an meinen Fingerspitzen, die dunkelrot und ganz rissig waren, und fragte mich, ob ich Gitarre lerne. Also ich weiß nicht. Sagen wir einfach, diese Stunden und Wochen ständigen Vergnügens sind auch an Cassie Wrights Vagina nicht spurlos vorübergegangen.
    Wenn ich mir einige von diesen sechshundert Männern hier ansehe, kann ich nur hoffen, dass die echte Vagina strapazierfähiger ist als die aus Latex. Als die schließlich nicht mehr zu gebrauchen war, sparte ich das Geld, das ich beim Zeitungsaustragen verdiente, bis ich mir eine Latexkopie von Cassie Wrights Brüsten leisten konnte. Allerdings nur aus zweiter Hand. Und nur die linke. Aber jeder wird dir bestätigen, dass das die bessere der beiden ist. Die war natürlich zu groß für meine Hosentasche, und auch zu groß, um sie mir unters Kopfkissen zu legen. Eigentlich zu groß für alles und nur als Staubfänger unter meinem Bett geeignet.
    Also mähte ich Rasen. Brachte Pfandflaschen zurück. Führte Hunde aus. Wusch Autos. Harkte Laub.
    Davon habe ich Mr. Bacardi nichts erzählt. Wozu auch?
    Im Winter schaufelte ich Schnee. Holte mit bloßen Händen den schwarzen