Snuff: Roman (German Edition)
sein wird. Der Verkauf wird ewig weitergehen. Auch wenn er hier verboten werden sollte, wird er sich übers Internet weiter verkaufen. Und zwar so gut, dass Miss Wrights einziger Erbe, ihr einziges Kind, ein reicher Mann sein wird.
Die Assistentin sagt: »Ganz zu schweigen von dem Geld von der Lebensversicherung.«
Das ist ein weiterer Aspekt dieses Projekts, den sie recherchiert hat: Versicherungsgesellschaften listen durch traumatische Gangbangorgien herbeigeführte Todesfälle meist nicht als Ausschlussgründe in ihren Policen auf. Bis heute jedenfalls. Bis drei der größten Versicherungen insgesamt sechs Millionen Dollar dafür werden hinblättern müssen, dass Cassie Ellen Wright an einer Embolie gestorben ist, zahlbar an ihr einziges Kind. Nein, Miss Wright wollte ihr Kind nicht kennenlernen. Für sie war eine persönliche Beziehung zu ihm ebenso wichtig, ebenso bedeutsam und doch unmöglich, wie sie es für das Kind gewesen wäre. Sie hätte von diesem jungen Mann erwartet, dass er fehlerlos, klug und talentiert sei, als Ausgleich für all die Fehler, die sie gemacht hatte. Für das ganze elende Chaos ihres vergeudeten Lebens.
Sie hätte erwartet, dass dieser junge Mann sie auf eine Weise liebte, die ganz und gar undenkbar war.
Drüben steht Darsteller 72 mit seinen Rosen. Den Kopf im Nacken, sieht er mit seinen braunen Augen zu, wie Cassie Wright etliche Millionen in Diamanten tief in ihrer rasierten Möse verstaut.
»Nein«, sagt die Assistentin. »Ms. Wright wollte ihrem Kind ein Vermögen hinterlassen, aber sie wollte, dass die Gerichte die Angelegenheit mit einem DNA-Test klären...«
Die Assistentin hält ihr Clipboard so, dass es eine Hälfte meines Gesichts verdeckt, ein Auge, und sagt: »Kannst du mit dem einen Auge was sehen?«
Ich sage ja.
Sie bewegt das Clipboard vor mein anderes Auge und fragt: »Und wie ist es mit dem anderen?«
Und ich nicke. Ja. Ich kann mit beiden Augen sehen.
»Gut«, sagt die Assistentin. Das erste Symptom einer Viagra-Überdosis ist der Verlust der Sehkraft eines Auges. Halb blind, geht einem die räumliche Wahrnehmung verloren. Sie blickt in dem Warteraum umher, all diese Männer, die an den halben Erektionen in ihren Boxershorts spielen, und sagt: »Vielleicht ist das der Grund, warum die meisten von euch in ihren Bewerbungen siebenundzwanzig Zentimeter angegeben haben...«
Ich frage: »Was ist mit dem Vater? Bekommt er nicht auch einen Teil von Miss Wrights Vermögen?«
Die Assistentin schüttelt den Kopf. »Ms. Wrights Familie«, sagt sie, »hat ihre Tochter schon vor Jahren verstoßen.«
Nein, ich meine den Vater ihres Kindes.
»Der?«, sagt die Assistentin, starrt mich mit offenem Mund an und bewegt langsam den Kopf hin und her. »Der miese Dreckskerl, der sie überredet hat, bei dieser ganzen Scheiße mitzumachen? Dieses Arschloch, das sie mit Demerol vollgepumpt und mit Drambuie-Likör abgefüllt und dann vor laufenden Kameras nach Strich und Faden durchgevögelt hat?« Sie verdreht die Augen und sagt: »Hast du das gewusst? Er hat ein Video von diesem ersten Film anonym an ihre Eltern geschickt.«
Deswegen haben sie sie, als sie schwanger nach Hause kam, gleich wieder rausgeworfen.
Deswegen musste sie, wenn sie überleben wollte, zu diesem miesen Arschloch zurück und weiter Pornofilme machen.
Die Assistentin stößt ein böses Lachen aus. Sie sagt: »Warum sollte sie dem wohl Geld vererben?«
»Nein«, sage ich. Ich meine: »Wer?«
Wer ist dieser Mann, der Vater dieses mysteriösen Jungen, den eine solche Erbschaft erwartet?
»Das miese Arschloch?«, sagt die Assistentin.
Ich nicke.
Und hab ich’s nicht gesagt, sie hebt eine Hand und zeigt mit dem Kugelschreiber – auf Branch Bacardi.
16
Sheila
Valeria Messalina, ein Nachkomme von Cäsar Augustus, kam fünfundzwanzig Jahre nach Christi Geburt zur Welt und wuchs am Hof des Kaisers Caligula auf, der sie – nur so aus Spaß – zwang, ihren Cousin zweiten Grades, Claudius, zu heiraten, einen Schwachkopf, der dreißig Jahre älter war als sie. Bei der Hochzeit war Messalina achtzehn, ihr Bräutigam achtundvierzig. Drei Jahre später wurde Caligula ermordet, und Claudius bestieg den Thron.
Sobald sie Kaiserin geworden war, trieb Messalina es dem Historiker Tacitus zufolge mit Gladiatoren, Tänzern und Soldaten, und jeden, der sich ihr verweigerte, ließ sie wegen Hochverrats hinrichten. Sklaven oder Senatoren, Verheiratete oder Singles – alle mussten sie blankziehen, wenn
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