So berauschend wie die Liebe
Junggesellinnenabschied ihrer Freundin Samantha tragen konnte. Die Hochzeit sollte am Wochenende darauf stattfinden, und Lucy war die erste und einzige Brautjungfer.
Lorenzo betrachtete die feierliche Prozession zum Altar voller Zynismus. Die Braut, groß und attraktiv, trug jungfräuliches Weiß, wobei der raffinierte Faltenwurf ihres Kleides geschickt die Tatsache verbarg, dass sie schwanger war. Wieder hat es einen guten Mann erwischt, dachte er und fragte sich, wieso James, Anwalt und Partner in der internationalen Londoner Kanzlei seines Vaters, so leicht in die Falle getappt war.
Er kannte James seit vielen Jahren. Vater Engländer, Mutter Italienerin; das Anwesen der Familie stand am Ufer des Gardasees, unweit der Villa der Zanellis. Lorenzo und James hatten sich als Teenager während der Sommerferien im Segelclub kennengelernt und waren seitdem befreundet. Normalerweise mied Lorenzo Hochzeiten wie die Pest, aber jetzt war er doch froh, dass er James’ Einladung gefolgt war. Nach zwei ungewöhnlich unruhigen unangenehmen Wochen kam diese Abwechslung gerade recht.
Zuerst hatten die Fotos von Manuel Cervantes ihn derart aufgewühlt, dass er bei seinem anschließenden Treffen mit Lucy Steadman seine sonst so eiserne Beherrschung verloren hatte. In seinem Zorn und Frust hatte er sich dazu hinreißen lassen, sie zu küssen, was ein großer Fehler gewesen war. Und am nächsten Tag hatte er sich dann erst richtig zum Narren gemacht, als er voreilig angenommen hatte, die kleine Hexe hätte ihm aufgelauert. Seitdem verfolgten ihn ihre spöttisch blitzenden grünen Augen bis in seine Träume – und das konnte er sich beim besten Willen nicht erklären.
Vielleicht litt er schon unter einer Art Midlife-Crisis? Die Frauen, mit denen er sich normalerweise traf, waren doch ausnahmslos groß, elegant, brünett, gepflegt, stets makellos gekleidet und vorzugsweise auch noch intelligent.
Eigentlich hätte das Dinner am vergangenen Samstag ihn auf andere Gedanken bringen sollen, aber leider entpuppte es sich als Überraschungsparty, die Olivia Paglia zu seinem Geburtstag arrangiert hatte – als ob er unbedingt daran erinnert werden wollte, dass er achtunddreißig geworden war! Zu allem Überfluss prangte dann am Montag ein Foto von ihm mit einer schwärmerischen Olivia am Arm, als sie zusammen um zwei Uhr morgens den Luxusnachtclub verließen, in den Klatschspalten der Zeitungen, samt dazugehörigem anzüglichem Artikel.
Natürlich hatte ihn gleich am nächsten Tag seine Mutter zu sich bestellt – die einzige Frau, deren Meinung ihm wirklich wichtig war. Obwohl er nur selten in der Villa der Familie wohnte, sondern seine eigenen Apartments und Häuser vorzog, hatte er seit dem Tod seines Vaters, und das bedeutete, seit seinem sechsundzwanzigsten Lebensjahr, die Rolle des Familienoberhauptes inne. Und es traf ihn tief, als seine Mutter nun sichtlich enttäuscht eine Erklärung von ihm forderte, wie er sich so mit einer verheirateten Frau in der Öffentlichkeit hatte zeigen können. Zu seiner Überraschung gestand sie ihm, dass sie immer wusste, dass sein Vater eine Geliebte hatte. Auch wenn es ihr nicht gefiel, hatte sie es akzeptiert. Aber bei all seinen Fehlern hätte er sich niemals mit der Frau eines anderen eingelassen und schon gar nicht mit der seines besten Freundes!
Lorenzo hätte seiner Mutter verraten können, dass ihr Mann bei seinem Tod nicht eine, sondern zwei Geliebte gehabt hatte. Er wusste es so genau, weil er sie ausbezahlt hatte. Seit er ein Teenager war, hatte er von den wechselnden Liebschaften seines Vaters gewusst, was letztlich zum Bruch zwischen ihm und dem alten Herrn geführt hatte und der eigentliche Grund gewesen war, warum Lorenzo nach Amerika gegangen war, um auf eigenen Füßen zu stehen. Aber warum sollte er das Herz seiner Mutter unnötig beschweren, indem er ihr Dinge verriet, die sie nur verletzen würden?
Stattdessen nahm er ihre Zurechtweisung schweigend hin. Ein Zanelli solle nicht auf diese Weise Gegenstand der Boulevardblätter sein. Er habe dem Namen Schande gemacht. Was Signora Zanelli schnell zu ihrem Lieblingsthema führte: Es sei höchste Zeit, dass er sich eine gute Frau suche und für einen Enkel sorge – einen Erben, der den Namen Zanelli weitertragen würde. Mit tränenfeuchten Augen erinnerte sie Lorenzo daran, dass er schließlich der einzig verbliebene Sohn sei.
Er hatte sich mit der Hoffnung getröstet, dass bis zu seiner Rückkehr nach Italien Gras über die
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