So berauschend wie die Liebe
ganze Geschichte gewachsen sein würde. Am Flughafen in Exeter hatte er sich einen Mietwagen genommen, war damit nach Cornwall gefahren und hatte am vergangenen Abend für das Wochenende in einem Landhotel eingecheckt. Und Montag würde er von London aus für ein oder zwei Wochen nach New York fliegen.
So sehr er seine Heimat liebte, empfand er doch die traditionelle gesellschaftliche und geschäftliche Stellung der Zanellis gelegentlich wie eine Bürde und entfloh gern in die übersprühende Lebendigkeit und Anonymität New Yorks, wo ihn dann meist eine Geliebte erwartete. Die Frauen an seiner Seite waren üblicherweise karriereorientiert, klug und sexy, und auch wenn er in Amerika als Bankier in den Fachjournalen von Wirtschaft und Finanzen große Beachtung fand, blieb sein Privatleben in der Regel davon unberührt, während in Verona allein der Name Zanelli garantierte, dass die Paparazzi sich an seine Fersen hefteten.
Die Braut schritt vorüber, und Lorenzos Blick fiel auf die Brautjungfer. Für einen Moment glaubte er, an Halluzinationen zu leiden.
Lucy Steadman? Das war doch nicht möglich!
Das goldblonde lange Haar fiel ihr in seidigen Kaskaden weit über den Rücken. Die Seitenpartien waren zurückgenommen und mit einer Girlande aus Rosenknospen fixiert, sodass Lucys zarte Gesichtszüge voll zur Geltung kamen. Verblüfft nahm Lorenzo ihre reizvolle Gestalt wahr. Das trägerlose moosgrüne Kleid betonte ihren makellosen Alabasterteint und schmiegte sich figurbetont an ihre vollen hohen Brüste, die zierliche Taille und die sanft gerundeten Hüften. Lorenzo fragte sich, wieso er je der Ansicht gewesen war, sie wäre unscheinbar – und er konnte den Blick nicht von ihr abwenden.
Sie besaß den aufregendsten und erotischsten Körper, den er in seinem Leben gesehen hatte. Lorenzo fühlte heißes Verlangen in sich aufwallen, als sie anmutig an ihm vorüberglitt. Ihr ebenso natürlicher wie kesser Hüftschwung heizte seine Fantasien an. Und dieser Frau hatte er gesagt, er wolle sie nie wiedersehen!
Augenblicklich war er gerade solo, denn er hatte sich Silvester von Madeleine, seiner letzten Geliebten, einer New Yorker Steuerberaterin, getrennt, weil sie auf eine feste Bindung gedrängt hatte. Dagegen war Lorenzo allergisch. Aber er brauchte zweifellos eine Frau – und eine Wochenendaffäre mit sexy Lucy würde ihm in verschiedener Hinsicht sehr zupasskommen. Sie lebte in England, wohingegen er die meiste Zeit zwischen Italien und New York pendelte. Mit anderen Worten, er konnte sich von ihr holen, was er brauchte, ohne Gefahr zu laufen, sich weiter mit ihr auseinandersetzen zu müssen. Das war eigentlich kein für ihn typisches Verhalten, aber andererseits empfand er es auch als eine gewisse ausgleichende Gerechtigkeit, mit Damien Steadmans Schwester ins Bett zu gehen und sie dann einfach sitzenzulassen.
Lucy verfolgte mit Tränen der Rührung in den Augen, wie ihre Freundin Samantha und James Morgan sich gegenseitig das Ja-Wort gaben. Die beiden hatten nur Augen füreinander. Niemand hätte ernsthaft an der Aufrichtigkeit ihrer Liebe zweifeln können, und wenn ein Mädchen alles Glück der Welt verdiente, dann ganz bestimmt Sam.
Lucy kannte Samantha aus ihrer Kinderzeit, als sie mit ihren Eltern sämtliche Ferien im Sommerhaus der Familie in Looe verbracht hatte. Die beiden kleinen Mädchen hatten sich im Ferienclub kennengelernt und angefreundet. Aber nach dem Verlust seiner Frau hatte Lucys Vater das Sommerhaus in Cornwall nicht mehr genutzt, sodass der Kontakt zwischen den Kindern abbrach. Erst nachdem Lucy ihr Studium an der Kunsthochschule abgeschlossen und – nach dem Tod des Vaters – das Ferienhaus in Cornwall geerbt hatte, war sie zurückgekehrt, um ganz dort zu wohnen und ihre Galerie zu eröffnen, und hatte auch die Freundschaft mit Samantha wieder aufleben lassen.
Die jungen Frauen hatten schwierige zehn Jahre hinter sich: Lucy hatte inzwischen beide Eltern verloren, und Samantha hatte nach einer Leukämiediagnose im Alter von dreizehn fünf lange harte Jahre gebraucht, um die tückische Krankheit zu besiegen. Als ihre beste Freundin wusste Lucy, dass dies auch der Grund dafür war, warum Sam nur zwei Monate, nachdem sie James kennengelernt hatte, schwanger geworden war. Sie war überzeugt gewesen, aufgrund der Chemotherapie keine Kinder mehr bekommen zu können, und hatte deshalb Verhütungsmaßnahmen für unnötig gehalten.
Im Grunde ihres Herzens war Lucy eine hoffnungslose
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