So berauschend wie die Liebe
Wie es aussieht, haben Sie triftige Gründe, hier zu sein.“
„Ich nehme die Entschuldigung an – auch wenn Sie sprichwörtlich daran erstickt sind“, erklärte Lucy, wobei sie sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Es war schon eine große Genugtuung für sie, zu erleben, wie sich dieser arrogante Bankier so gründlich zum Narren gemacht hatte.
„Nicht ganz, aber fast“, räumte er selbstironisch ein. „Woher, also, kennen Sie die Contessa della Scala?“
Das kleine Lächeln, das nun um seine Mundwinkel spielte, gefiel Lucy weit besser, als ihr lieb war. Energisch rief sie sich jedoch ins Gedächtnis, wie geringschätzig er sie bei ihrem letzten Zusammentreffen behandelt hatte. „Das geht Sie gar nichts an“, erwiderte sie deshalb bewusst schroff. „Soweit ich mich erinnere, haben Sie mir gestern ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass Sie mit meinesgleichen nichts zu tun haben wollen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte sie an ihm vorbei zum Aufzug.
Lucy fand die zierliche Contessa einfach entzückend, als sie zehn Minuten später in einem bequemen Sessel saß und voller Freude zusah, wie die elegante ältere Dame euphorisch das Porträt ihres verstorbenen Gatten begutachtete.
„Ich bin absolut begeistert … ja, wirklich!“ Sie bat den Butler, es auf den Tisch zu legen, weil sie sich noch überlegen wollte, wo genau es aufgehängt werden sollte. Dann wandte sie sich wieder Lucy zu. „Sie haben meinen geliebten Mann einfach wundervoll getroffen. All meine Freunde werden grün vor Neid sein – und ich sehe viele neue Aufträge und eine große Zukunft für Sie voraus.“
„Das hoffe ich doch“, erwiderte Lucy vergnügt. „Aber zunächst einmal vielen Dank. Ich bin froh, dass es Ihnen gefällt, denn es hat mir viel Spaß gemacht, es zu malen. Er war ein sehr gut aussehender Mann.“
„Oh ja, das war er … und immer gut gelaunt! Ganz anders als Lorenzo Zanelli. Was fällt ihm ein, zu verlangen, dass man Sie aus dem Gebäude wirft!“
„Liebe Güte, wie haben Sie denn das erfahren?“, fragte Lucy erstaunt.
„Der Portier ist ein guter Freund von mir und hält mich immer auf dem Laufenden. Zanelli hat sich schändlich benommen. Ich kann mir sein Verhalten nicht erklären.“
„Nun, ich hatte gestern einen Termin bei ihm wegen einer Angelegenheit, die für seine Bank von Interesse ist, weshalb er bei meinem Anblick wohl vorschnell den Schluss zog, ich wäre ihm hierher gefolgt.“ Lucy lächelte. „Anscheinend bildet er sich ein, eine unwiderstehliche Anziehung auf die Frauen auszuüben … oder er leidet unter Verfolgungswahn. Ich hatte jedenfalls keine Ahnung, dass er hier wohnt.“
„Oh nein, Lorenzo Zanelli wohnt hier nicht, aber Freunde von ihm, Frederico und Olivia Paglia. Frederico hatte im Januar einen tragischen Jagdunfall und befindet sich seitdem in einer Reha-Klinik. Gerüchte behaupten, Lorenzo habe eine Affäre mit der Frau des armen Mannes, weil er Olivia gelegentlich besucht. Aber ich bezweifle das und denke, dass er sich eher um Fredericos geschäftliche Belange kümmert als um dessen Frau.“ Die Contessa lachte. „Zanelli steht in dem Ruf, ein Einsiedler zu sein, wohingegen Olivia Paglia eine leidenschaftliche Partygängerin ist. Die beiden passen wirklich nicht zusammen.“
„Heißt es nicht, dass Gegensätze sich anziehen?“, warf Lucy ein.
„Also ich halte nicht viel davon. Aber nun genug von dem Klatsch und zu Ihnen, mein Kind. Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, kamen Sie mir mit Ihrem leuchtend blauen Top und der weißen Hose wie eine frische Meeresbrise vor. Bitte, nehmen Sie es mir nicht übel, meine Liebe, aber dieses schwarze Kostüm ist schlecht geschnitten und absolut schauderhaft.“
Lucy lachte herzlich. „Ich weiß, es ist schrecklich. Ich habe es mir von einer Freundin geliehen, weil ich Jeans und ein buntes Top nicht geschäftsmäßig genug fand. Aber ich besitze praktisch nichts anderes.“
Als Lucy sich eine Stunde später von der Contessa verabschiedete, war sie trotz wiederholten Protests stolze Besitzerin eines klassischen Designer-Kleides aus den Sechzigerjahren und dazu passender Pumps. In gehobener Stimmung bestieg sie an diesem Abend das Flugzeug zurück nach England. Mochte sie vielleicht auch nicht in der Lage sein, das Familienunternehmen zu retten, so hatte sie doch zumindest einen netten Scheck in der Tasche, der wenigstens etwas helfen würde, und ein todschickes Kleid, das sie am Samstagabend zum
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