So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
feiern. Und wir sind zu allen Vergnügungen bereit.
So feiern die Pariser im Méphisto oder im Lorientais, sie feiern im L’Arlequin, im L’Ecluse, im Port du Salut und in vielen anderen kleinen Lokalen, in denen die Großen der Nachkriegszeit alle zum ersten Mal auftreten werden.
Im Tabou trafen sich früher nachts oder ganz früh am Morgen die Zeitungsausträger, um einen Kaffee zu trinken und sich zu stärken. Dann haben wir dieses Lokal für uns entdeckt.
Eines Abends lege ich meinen Mantel auf dem Treppengeländer ab und setze mich zu meinen Freunden an den Tisch.
Beim Weggehen bemerke ich, dass mein wertvolles Kleidungsstück für die kalten Tage nicht mehr da ist. Ich mache mich auf die Suche und steige die Treppe hinab, die ins Untergeschoss führt. Vor dem Eingang zu einem Keller liegt mein Mantel ausgebreitet auf dem Boden. Ich drücke gegen die Kellertür, sie öffnet sich. Innen ist es sehr dunkel. Das Ende des Raums kann ich nicht erkennen. Weinkästen und viele leere Flaschen versperren mir den Weg. Sie stammen von Festen, eigenartigen Festen, die man, wie man mir später erzählt, während des Krieges hier abgehalten hat. Allmählich gewöhne ich mich an die Düsternis und entdecke an der Mauer einen Lichtschalter. Was für ein Anblick! An den Kellerwänden hängen afrikanische Masken, die leuchten, hat man doch in ihre Augenhöhlen kleine farbige Glühbirnen gesteckt.
Dieser afrikanischen Dekoration verdankt das Lokal seinen zukünftigen Namen: Le Tabou.
Einige Wochen später, im April 1947, öffnet dank meiner Entdeckung und der Energie von Bernard Lucas, dem Wirt der Bar Vert, und der von Frédéric Chauvelot, seines Zeichens Diplomat, das berühmte Kellerlokal Le Tabou seine Pforten.
Um hier hereinzukommen, muss man entweder Klubmitglied sein oder von einem hineingebeten werden. Man kommt hierher, um zu reden, zu tanzen, sich zu amüsieren.
Dieser Keller ist unsere Höhle, unser Versteck. Ein Klavier wird gebracht, Boris Vian spielt auf seiner Trompete, die er liebevoll »Trompinette« nennt. Seine Brüder Alain und Lélio begleiten ihn auf dem Schlagzeug und der Gitarre.
Es ist ein wahrlich außergewöhnlicher Ort, um zu feiern und sich zu treffen.
An manchen Abenden überqueren wir den Pont Alexandre III, um in die Rue du Colisée zu gelangen. Normalerweise wagen wir uns aus Saint-Germain, unserem Dorf, nicht hinaus, und erst recht nicht mitten in der Nacht. Mit meinen schwarzen Hosen, meinem langen, fliegenden Haar, meinen Augen, die ich mit einem schwarzen Lidstrich betone, und meinen ungeschminkten Lippen ernte ich entsetzte Blicke; mein exzentrisches Aussehen provoziert.
Wir drei leben den Enthusiasmus, wie er in Saint-Germain zu Hause ist. Es ist der Enthusiasmus einer Jugend, die zu einem Großteil in einer besseren Gegend groß geworden ist und deren wohlhabende Familien durch die Geißel des Kriegs verarmt sind oder ausgelöscht wurden.
Eine Jugend, die deshalb frei ist – und unbeschwert.
Auf der Theaterbühne
Das Nachkriegsjahr 1946 nimmt Fahrt auf.
In der Nacht amüsieren wir uns, und am Tag arbeiten wir, was auch amüsant sein kann. Wir tun nur das, was uns gefällt.
Ein Traum von mir wird wahr, ich spiele endlich eine richtige Theaterrolle. Victor oder Die Kinder an der Macht von Roger Vitrac ist das Stück, in dem ich debütiere. Regie führt Michel de Ré, ein Theaternarr und Enkel des Marschalls Gallieni. Es ist seine erste Inszenierung, er wird eine steile Karriere machen.
Den Text zu lernen, fällt mir leicht. Meine Begeisterung ist riesig, ich gebe mein Bestes.
Zwei Stunden vor der Generalprobe bekomme ich panische Angst. Lampenfieber. Bang betrete ich die Bühne und begreife, dass meine Angst nicht von ungefähr kommt. Denn Schauspielerin zu werden, das ist etwas ganz Großes.
Das surrealistische Stück ist ein großer Achtungserfolg, im Samedi Soir , einer wichtigen Wochenzeitung damals, widmet man uns einen Artikel.
Wir spielen eine knappe Woche vor einem handverlesenen Publikum. Ein Szenenfoto verwirrt mich. Diese junge Frau auf dem Bild, das soll ich sein? Das ist ein anderes Ich, ein anderes Selbst. Mein Leben lang werde ich von jetzt an mein eigenes Bild wie eine Außenstehende betrachten.
Diesem Stück verdanke ich meine erste magere Schauspielergage und die einzigartige Erfahrung, wie Künstler füreinander einstehen können. Wir proben jeden Nachmittag, manchmal sogar die Nacht hindurch bis in den Morgen.
Jeder hilft bei der Herstellung des
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