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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
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Bühnenbilds. So sammle ich in aller Früh vom Trottoir der Markthallen liegen gebliebene Blumen ein. Ein anderer Mitspieler bringt Krepppapier von seinen Eltern mit, aus dem wir Blumen zur Dekoration der Wände basteln. Mein Bühnenkostüm ist das schwarze, mit kleinen rosa Blumen bestickte Kleid, das meine Großmutter zur Nachfeier ihrer zweiten Hochzeit trug. Und Agnès Capri, diese großartige Sängerin und Schauspielerin, der die Dichter und Schriftsteller zu Füßen liegen, stellt uns großzügigerweise das Théâtre de la Gaîté-Montparnasse zur Verfügung. Die Plakate für das Stück malen wir selbst und bekleben damit die Wände des Theaters.
    Mein Brot und das Geld für die Miete verdiene ich jetzt allmählich selbst.
    Jean Tardieu, der große Radiomann und Mitbegründer des Kulturprogramms im französischen Nachkriegsrundfunk, engagiert mich für die neue Radiosendung Club d’Essai, um Gedichte vorzutragen. Ich bin ihm bei einer unserer Vorstellungen aufgefallen.
    In einem »poetischen Tonfall« lese ich zeitgenössische Gedichte vor. Der Schrecken, den mir meine ersten Lesungen einjagten, aber auch der Spaß und die Lust auf mehr, die sie mir bereiteten, sind mir heute noch lebendig. Und meinen Vortrag eines Gedichts von Henri Michaux, der bei der Aufnahme auch dabei war, vergesse ich nie. Michaux erklärte mich für eine sehr schlechte Interpretin seines Gedichts, worauf ich ihm entgegnete: »Im Allgemeinen habe ich den größten Respekt vor Ihrem Werk, aber in diesem speziellen Fall, falls Sie mit meiner Interpretation nicht zufrieden sind, müssen Sie sich an die eigene Nase fassen. Ich lese nur das vor, was Sie geschrieben haben.«
    Dans le noir, le soir
    auto dans la campagne.
    Baobabs, Baobabs,
    baobabs,
    Plaine à baobabs.
    Baobabs beaucoup boababs
    baobabs
    près, loin, alentour,
    Baobabs, Baobabs.
    In der rabenschwarzen Nacht
    Ein Auto auf dem Lande.
    Baobabs, Baobabs,
    Baobabs,
    Die ganze Ebene voller Baobabs.
    Baobabs, viele, viele Baobabs,
    Baobabs.
    Nah und fern und ringsumher
    Nur Baobabs, Baobabs.
    Und so geht es noch eine Weile weiter. Nicht gerade einfach!
    Ich verlasse den Raum, Tränen stehen mir in den Augen.
    Henri Michaux sagt kein Wort und lässt mich in Ruhe seinen Text interpretieren. Er ist nicht verärgert, er will mir auch nichts Böses. Er ist ein Gentleman.
    Diesen Sendungen habe ich es zu verdanken, dass ich den Regisseur Maurice Cazeneuve kennenlerne, der den Roman Die Thibaults von Roger Martin du Gard in zwanzig Episoden als Hörspiel machen will.
    Er schlägt mir eine sehr schöne Rolle vor. Ich soll die Jenny sprechen, die große Liebe von Jacques, der von Michel Bouquet gespielt wird. Sein Angebot rührt mich so sehr, dass ich wie ein Idiot unablässig nicke. Nur ein zaghaftes Ja kommt über meine Lippen.
    Das Louisiane
    Einige Monate später hat die Not dank meiner Radiogagen beim Club d’Essai ein Ende. Und ich kann umziehen. Vom Hôtel Bisson ins damals schon bekannte Hôtel La Louisiane.
    Davor wechselte ich ständig von einem Hotel in Saint-Germain ins nächste, als Sicherheit bot ich immer meinen Koffer und meine persönliche Habe an.
    Im Louisiane ziehe ich in das runde Zimmer, das zu Kriegsbeginn Jean-Paul Sartre gemietet hatte. Sein Fahrrad hängte er an der Decke auf, um Platz zu gewinnen. Die Fenster dieser ehemaligen Schreibhöhle gehen auf den Markt Rue de Buci, Ecke Rue de Seine. Der Hotelier hat, als Simone de Beauvoir und Jean-Paul-Sartre kurz hier zusammenwohnten, ein Bad einbauen lassen.
    Diese Badewanne, ein Luxusgegenstand, stelle ich allen meinen Freunden zur Verfügung. Den Zimmerschlüssel lege ich unter die Tür, damit jeder ins Badezimmer kann. Und so kommt es, dass ich zu jeder Tages- und Nachtzeit das Knarren des Parkettbodens höre, wenn wieder mal jemand tollpatschig aus der Wanne klettert. Mein Bad erfreut sich großer Beliebtheit.
    1948 ist aus Saint-Germain-des-Prés das angesagte Viertel der Nachkriegszeit geworden.
    Hier versammeln sich die Intellektuellen, die en vogue sind, und die Jugend, die von einem Neuanfang träumt. Die Journalisten beeilen sich, das Treiben in Worte zu fassen. Die Zeitungen stürzen sich auf das Phänomen und erklären sich selbst zu dessen Verursacher.
    Vor allem haben sie es auf das Paar Sartre–Beauvoir abgesehen. Die beiden verkörpern sinnbildlich die aktuelle Geistesströmung. Im Flore empfangen sie die jungen Intellektuellen. Simone de Beauvoir, der Freunde den Spitznamen Castor, Biber, gegeben

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