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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
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glaube ich.
    Ich muss aber sofort weitermachen, damit ich besser werde.
    Das erste Mal
    1949 schließt man die Türen des Le Bœuf sur le Toit für mich auf.
    Der Pianist und Komponist Jean Wiener versucht, mir das Singen im Takt beizubringen. Er ist seit der surrealistischen Ära eine Berühmtheit; damals spielte er mit Clément Doucet im Duett am Klavier; beide lieben sie die schwarzen amerikanischen Musiker und den Jazz.
    Wiener ist außerordentlich liebenswürdig und von einer unglaublichen Geduld, was ein Glück für mich ist. Wir haben nur drei Tage Zeit, um die drei Lieder einzustudieren.
    Am Abend der Premiere trage ich das, was ich seit Kriegsende trage: den unvermeidlichen schwarzen Pullover, die unvermeidlichen schwarzen Hosen, dazu einfache Römersandalen. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen, so sehr quält mich mein Lampenfieber.
    Der Saal ist brechend voll, es fehlt an Stühlen. Alles, was in Paris Rang und Namen hat, ist versammelt und liegt mir zu meinen – nackten! – Füßen. Die Atmosphäre ist freundlich, das Publikum besitzt die Güte, die großen Ungeschicklichkeiten einer Anfängerin zu übersehen.
    Bewegt und verstört kehre ich nach dem Abend in mein Hotelzimmer zurück. Im Badezimmer bleibe ich instinktiv vor dem Spiegel stehen. Ich sehe mich nicht gern an, ich finde mich nicht hübsch. Ich stehe nur hier, um meinen schwarzen Lidstrich nachzuziehen, damit ich das Rehauge bleibe, wie mich die Presse gerne nennt.
    Mit ernstem Blick und lauter Stimme spreche ich die Worte: »Ich schwöre, dass ich mit all meiner Kraft mein provokatives Aussehen verteidigen werde. Die ausgewachsene Gréco darf die kleine Juliette nicht verraten.«
    Diesen Pakt mit mir werde ich nie brechen.
    Bei jedem Konzert möchte ich mein Bestes geben, ich will niemanden enttäuschen, weder mich noch die Zuhörer.
    Das Publikum kommt jeden Abend, alle sind neugierig auf die, die ein Lied von Sartre singt. »Die existenzialistische Sängerin«, so tauft mich die Presse. Was ein Unsinn ist.
    Ich singe ein Lied von Sartre, eines von Queneau und eines von Laforgue. Ich bin nichts anderes als eine Anfängerin in der Welt des Chansons.
    Blauer Azur
    Sommer 1949.
    Alle jungen Frauen, die etwas Geld haben, ziehen sich diesen Sommer wie die Gréco an.
    An der Côte d’Azur sieht man überall die gleiche Uniform: schwarze Hosen, die Ponyfrisur lang, glatt und offen, dazu die kohlrabenschwarz geschminkten Augen. Und ich lerne parallel dazu auf der Gesangsbühne das Laufen.
    Mitte Juli überkommt uns die Lust, das Meer zu sehen, und so nehmen Anne-Marie und ich die Einladung des Geschäftsmanns und Musikförderers Anet Badel an, einen Monat in einem für uns gemieteten Haus in Antibes zu verbringen.
    Der Besitzer des Theaters Vieux-Colombier in Paris hat an der Côte d’Azur eine weitere Konzertbühne eröffnet, das Antipolis. Hier treffe ich Musiker und flüchtige Bekannte wie den Politiker Paul Faure, den Schauspieler Franck Villard und die russische Prinzessin Nina Rachewski, die ein wunderbarer Kerl ist. Man lebt gut hier, der milde Sommer beschwingt. Als Dank tritt jeder Künstler ungefragt im Antipolis auf.
    Ich singe jeden Abend, ein amerikanischer Jazzpianist begleitet mich. Außer dass er sympathisch ist, versteht er es auch noch, meinen Mangel an Erfahrung zu überspielen.
    Während dieses Aufenthalts schlägt mir Joseph Kosma, der im Midi bei Jacques Prévert zu Besuch ist, ein neues Chanson vor:
    »La fourmi« , Die Ameise, nach einem Gedicht von Robert Desnos.
    Jeden Morgen schleiche ich mich davon, um das Hinterland kennenzulernen.
    Heute ist das Dorf Saint-Paul-de-Vence mein Ziel. Ein Linienbus bringt mich zu dem Weg, der durch kühle Gassen hinauf zum Dorfplatz führt. Es ist früh am Morgen, die Sonne steht noch lange nicht im Zenit. Dennoch beginnen sich Buschlandschaft und Olivenhaine bereits aufzuheizen.
    Keine Menschenseele ist auf der Straße. Vom Dorf oben genieße ich eine wunderbare Aussicht; außerdem ist es ein Vergnügen, dem Liebesgesang der Zikaden zuzuhören.
    Ich will gerade in einen Pfad einbiegen, um ein bisschen planlos im Grünen umherzustreifen, als mich ein Mann anspricht.
    »Na, so was! Das ist doch die Gréco!«
    Ich drehe mich um. Sofort weiß ich, wer da vor mir steht: Jacques Prévert, der Dichter.
    »Ja, Monsieur«, antworte ich artig.
    »Ich lade dich zu einem Kaffee bei mir zu Hause ein. Magst du?«
    Ich mag so sehr, dass ich nicht mitgehe, sondern geradezu hinfliege. Er macht

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