So bitterkalt
zurück und sah den Doktor durch die Stahltür verschwinden. Vielleicht ging er in sein Büro, um mit jemandem den Mützentest zu machen.
Högsmed ist sicher ein guter Psychiater, denkt Jan, aber er hat nicht die geringste Ahnung, was nachts im Krankenhaus alles los ist. Er weià nichts von der Möglichkeit, durch den Schutzraum in den Klinikkeller zu gelangen, oder von den geheimen Briefen und etwaigen Treffen im Besuchszimmer. Högsmed glaubt, dass in Sankt Patricia alles so läuft, wie er und die Klinikleitung es vorgesehen haben.
Doch Jan ist der festen Ãberzeugung, dass es in der menschlichen Natur liegt, Routinen zu durchbrechen, Kinder wie Erwachsene wollen ständig die Regeln austesten.
Noch eine Woche. Die Zeit kann man nicht aufhalten.
Die tickende Uhr macht Jan nervös, genau wie im »Luchs«.
Er geht zu seinen Kisten und holt wieder das alte Tagebuch heraus, das Rami ihm aus der Abstellkammer in der Klapse gegeben hatte, und betrachtet das Polaroidfoto auf der Vorderseite, das Rami von ihm bei ihrer allerersten Begegnung gemacht hat. Wie jung und gesund er doch aussieht, wenn man bedenkt, wie nahe er, nur einen Tag bevor das Bild gemacht wurde, dem Tod gewesen war. Erst in einer Sauna fast ausgetrocknet und dann mit SchlafÂtabletten betäubt, von Rasierklingen blutig geschnitten in einem Teich fast ertrunken. Und dennoch starrt er mit erhobenem Kopf direkt in die Kamera.
Das Buch enthält nicht nur seine eigenen Erinnerungen und Gedanken. Es sind auch ein paar zusammengefaltete Zeitungsausschnitte darin, und vielleicht hat er das Buch deswegen überhaupt aufgehoben, denn die Artikel hat er immer wieder einmal spätabends herausgeholt und gelesen.
Der erste ist eine ganze Zeitungsseite lang, mit einem groÃen schwarz-weiÃen Bild von einer Steinklippe, die ein paar Meter aus einer glatten Wasseroberfläche herausragt, dazu die Ãberschrift »Wahnsinnstat am Waldsee«, gefolgt von dem Untertitel:
»Jungen auf einem Campingausflug getötet«
Jan hat diesen Artikel über fünfzehn Jahre lang wieder und wieder gelesen und kann den Text inzwischen fast auswendig:
Zwei fünfzehn und sechzehn Jahre alte Jungen wurden gestern von einem unbekannten Täter überfallen und getötet. Die Jungen hatten zwölf Kilometer von Nordbro entfernt auf einer Klippe über einem Waldsee gezeltet, als sie angegriffen wurden.
Polizeiangaben zufolge scheint der Mörder ein Messer direkt durch die Zeltwand gestoÃen und dann die beiden Jungen mit mehreren Messerstichen verletzt zu haben, ehe er oder sie das Zelt einrollte und es von der Klippe ins Wasser stieÃ. Die schwer verletzten Jungen konnten sich nicht aus dem Zelt befreien und ertranken.
Der Artikel ging noch über zwei weitere Spalten und enthielt die Aussagen eines Polizeikommissars und verschiedene Spekulationen über den Hergang der Tat.
Doch in Jans Tagebuch liegt noch ein anderer zusammengefalteter Zeitungsausschnitt, der vom folgenden Tag stammt:
Drittes Opfer gefunden
Junge lag mit schweren Kopfverletzungen an der LandstraÃe
Der sechzehnjährige Junge, der am frühen Mittwochmorgen in einem flachen Graben vor Nordbro aufÂgefunden wurde, ist wahrscheinlich von einem Auto überfahren worden, dessen Fahrer anschlieÃend Unfallflucht beging. Der Junge war bewusstlos und hatte Kopfverletzungen, Schnittwunden und mehrere Knochenbrüche. Er wurde in die Notaufnahme des Väster-Krankenhauses gebracht und ist immer noch nicht wieder bei Bewusstsein.
Die Polizei schlieÃt nicht aus, dass ein Zusammenhang zwischen diesem tragischen Ereignis und dem Doppelmord an zwei Jungen an dem nahe gelegenen Waldsee besteht.
»Die drei Jungen waren offensichtlich auf einem gemeinsamen Campingausflug, als sie in der Nacht von jemandem mit einem Messer angegriffen wurden«, erklärt Kommissar Hans Torstensson von der Landeskriminalpolizei. Möglicherweise war der dritte Junge auf der Flucht vor dem Täter, als er von einem Auto überfahren wurde. Torstensson will sich jedoch nicht dazu äuÃern, ob es sich bei dem Mörder der beiden Jungen im Zelt um dieselbe Person handelt, die anschlieÃend den dritten Jungen überfuhr. »Die Ermittlungen werden so lange fortgeführt werden, bis alle Fragen geklärt sind«, so Torstensson.
Ob sich wohl auÃer ihm noch jemand an diese Ereignisse von vor fünfzehn Jahren erinnert? Die Familien der Jungen
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