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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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natürlich, aber auch für die war das Leben doch inzwischen weitergegangen. Eltern und Geschwister hatten die Zähne zusammengebissen und die Trauer allmählich überwunden – wenn es sich nicht so verhielt wie bei Lilian. Die Ermittler der Polizei hatten, trotz der Versprechungen des Kommissars, den Fall sicher inzwischen zu den Akten gelegt. Sie hatten die letzten Informationen über den ungelösten Fall zwischen zwei Pappdeckel gelegt und das Ganze in ein Archivregal geschoben.
    Vielleicht ist Jan der Einzige, der immer noch darüber nachdenkt.
    Drei Tote.
    Aber von wem ermordet?
    Die Frage nach dem Täter hat Jan, auch lange nachdem die Erleichterung verflogen war, nie verlassen.
    Eine Woche lang hat er nichts in das Tagebuch geschrieben, und deshalb schlägt er eine neue Seite auf und beginnt einen Lagebericht an sich selbst. Er schreibt über die »Lichtung«, die Kollegen und seine heimlichen Ausflüge ins Krankenhaus. Zum Schluss notiert er:
    Ich bin hierher nach Valla gekommen, um wieder Kontakt zu Rami aufnehmen zu können  – aber nicht nur das. Ich wollte mit benachteiligten Kindern arbeiten, und ich will, dass es ihnen gut geht.
    Außerdem bin ich hierhergekommen, um mir ein richtiges Leben aufzubauen und um Freunde zu finden. Aber das geht nicht. Vielleicht ist es Ramis Schuld. Vielleicht habe ich sie auch nur als Schutzschild gegen den Rest der Welt benutzt  ...
    Das sind Geständnisse, die er Rami gegenüber nie äußern würde. Aber er will so schnell wie möglich mit ihr sprechen.
    Er schaut auf die Uhr. Es ist Viertel nach neun. Noch nicht zu spät für eine Fahrradtour.
    Lilian trifft ihre Vorbereitungen vor der Brandschutzübung und Jan die seinen.

50
    Am Nachthimmel haben sich schwarze Wolken geballt, sie hängen über dem Krankenhaus und sprühen einen feinen Nieselregen über den Wald. Jan wischt sich eiskalte Wassertropfen von der Stirn, kauert sich im Unterholz zusammen und versucht, unter einer Birke Schutz zu finden.
    Da hockt er nun, mit dem Schutzengel in der Hand. Das Krankenhaus erhebt sich vor ihm, und dort drinnen hat Jan eine Freundin, weshalb ihm Regen und Kälte egal sind.
    Â»Bist du da, Eichhörnchen?«, flüstert er, den Blick auf die graue Fassade, zu einem Fenster in der vierten Etage gerichtet.
    Das Licht im Fenster geht aus. Dann geht es wieder an.
    Ein klares und deutliches Signal. Rami ist in ihrem Zimmer.
    Jan atmet langsam aus und fragt: »Willst du immer noch raus?«
    Das Licht blinkt.
    Ja .
    Â»So schnell wie möglich?«
    Ja.
    Beide Blinksignale kommen rasch und ohne Zögern. Hier antwortet keine verwirrte oder von Medikamenten betäubte Frau.
    Jan hält sich den Schutzengel wieder an den Mund: »Ich will dich treffen und hören, was nach der Klapse passiert ist. Ich habe immer auf eine Nachricht von dir gewartet, aber die kam nie. Ich weiß nur, dass du deinen Teil des Paktes eingehalten hast. Du hast Die Viererbande gestoppt.« Jan verstummt, sammelt sich und fährt dann fort: »Aber wie hast du das nur bewerkstelligt? Du hast mir gesagt, du würdest Leute kennen, die sich darum kümmern können, und ich habe mich all die Jahre gefragt ... Wer war das?«
    Der Scheue, denkt er. Aber wer war Der Scheue?
    Diesmal bekommt er keine Antwort. Das Fenster bleibt erleuchtet.
    Â»Auf jeden Fall konnte ich kein Mitleid mit Niklas, Peter und Christer empfinden. Das ging einfach nicht. Und jetzt ist nur noch ein Mitglied der Viererbande übrig, Torgny, Torgny Fridman. Ich habe dir vor fünfzehn Jahren von ihm erzählt. Er betreibt einen Eisenwarenladen in Nordbro, wo ich aufgewachsen bin. Und er hat eine Frau und einen Sohn und ein geglücktes Leben. Es fällt mir immer noch schwer zu vergessen, was er getan hat.«
    Das Licht im Zimmer geht nicht aus, aber Jan ist überzeugt, dass Rami zuhört. Also redet er weiter: »Ich muss dir noch eine andere Sache erzählen. Ich bin inzwischen seit zehn Jahren ausgebildeter Erzieher. Und bei meiner ersten Vertretung war ein kleiner Junge in der Gruppe, der William hieß. Als ich Williams Mutter sah, erkannte ich sie wieder, es war die Psychotante aus der Klapse, deine Psychologin. Erinnerst du dich an sie? Du hast mich gebeten, etwas mit ihr anzustellen, ihr Angst einzujagen.«
    Schweigen. Jan ist zum Kern seines Geständnisses vor­gedrungen. Eigentlich wollte er triumphierend klingen,

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