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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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bekäme?
    Und wenn jetzt eine Polizeistreife an die Tankstelle käme, würde er dann Alarm schlagen? Dann würde Rössel gefasst werden, und Jan wäre frei.
    Aber Lilians Bruder würde nie gefunden werden.
    Und deshalb sind sie unterwegs.
    Jan nimmt die Zapfpistole und tankt, dabei wirft er immer wieder einen Blick ins Auto. Rössels Kopf und sein Gesicht sind vom Autodach verdeckt, aber er sieht den Körper mit den grauen Hosen auf dem Rücksitz. Rössel sitzt völlig unbeweglich. Ob er wirklich eingeschlafen ist?
    Jan tankt weiter und schaut sich um. Glänzende Zapfsäulen stehen in Reih und Glied im Neonlicht, und etwas weiter entfernt rollen die Sattelschlepper mit dumpfem Brummen zu den LKW-Parkplätzen.
    Es klickt im Tankstutzen. Der Tank ist voll, und Jan hängt den Schlauch zurück.
    Dann wirft er noch einen schnellen Blick ins Auto – und erstarrt. Der Rücksitz ist leer.
    Rössel ist weg und mit ihm Rasierklinge und Tränengas.
    Jan sieht sich um. Der Parkplatz ist im Moment menschenleer, aber voller Sattelschlepper, die in zehn Metern Entfernung so dicht nebeneinander aufgereiht sind, dass sie ein Labyrinth bilden.
    Hat sich Rössel zwischen die Lastwagen geschlichen?
    Jan lässt das Auto stehen und geht vorsichtig hinüber.
    Er bückt sich und versucht unter die Sattelschlepper zu schauen, kann aber nirgendwo graue Hosenbeine entdecken.
    Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit macht sich in ihm breit, und er geht langsam zum Auto zurück.
    Â»Hier bin ich«, hört er Rössels Stimme hinter sich.
    Jan bleibt wie angewurzelt stehen und dreht sich um.
    Â»Hast du geglaubt, ich würde abhauen?«
    Jan schüttelt den Kopf. Rössel und er haben eine Abmachung. Sie werden jetzt zum Grab fahren, und keiner von beiden wird sich davor drücken. Was danach geschieht, wird man sehen.
    Â»Wo waren Sie?«
    Rössel hat zwei Spaten mit scharfen Eisenschaufeln unter dem Arm, und in seiner freien Hand blinkt etwas. Eine Flasche.
    Â»Ich habe Einkäufe erledigt«, erklärt er. »Ich war im Laden und habe Spaten gekauft, und dann bin ich zu den Sattelschleppern hinübergegangen. Die kommen aus ganz Europa, und die Fahrer haben immer Schnaps dabei. Also habe ich ihnen eine Flasche abgekauft.«
    Er hält sie hoch, und Jan sieht, dass es Wodka ist.
    Â»Mit welchem Geld?«
    Â»Mit deinem.« Rössel hält Jan seine Brieftasche hin. »Die hast du im Auto gelassen.«
    Jan nimmt sie entgegen. »Ich brauche keinen Alkohol.«
    Rössel schraubt die Flasche auf und nimmt einen Schluck. »Doch. Heute Abend brauchen wir Spaten und Schnaps.«
    Sie fahren weiter durch die Nacht. Rössel ist jetzt etwas gedämpfter, bestimmt aber nach wie vor die Route vom Rücksitz aus. Er zeigt auf eine Abzweigung.
    Â»Hier links.«
    Ein Kreisverkehr und dahinter eine kleinere Landstraße. Göteborg ist groß, und dieser Teil der Stadt ist Jan unbekannt, doch in einiger Entfernung kann er eine zerklüftete Kette Klippen erkennen und glaubt, dass sie sich nordöstlich des Stadtzentrums, bei Utby, befinden.
    Â»Jetzt rechts abbiegen«, befiehlt Rössel und nimmt einen Schluck Wodka. »Und dann wieder rechts.«
    Jan gehorcht. Er biegt auf einen langen geraden Weg ein, auf dem Lichter und Häuser immer spärlicher werden, und dann sieht er ein weißes Straßenschild vorüberflimmern: TRASTVÄGEN.
    Das Schild ist der letzte Hinweis auf die nahe Stadt, danach gibt es auch keine Häuser mehr, nur noch den Weg, der zu einem Waldweg wird, der zwischen steilen, von dunklen Büschen und Bäumen bedeckten Böschungen nach oben führt.
    Â»Hier«, sagt Rössel leise. »Weiter können wir nicht fahren. Parke hier.«
    Jan hält an. Er schaltet den Motor aus und macht die Innenbeleuchtung an. Im Rückspiegel sieht er, wie Rössel die Schnapsflasche aufschraubt und erneut einen tiefen Schluck nimmt. Als er schluckt, schließt er die Augen.
    Â»Medizin«, erklärt er dann und überlässt Jan die Flasche.
    Jan nimmt einen kleinen Schluck, nicht mehr. Im Fach in der Fahrertür entdeckt er Stifte und ein paar Blatt Papier. In einer plötzlichen Eingebung nimmt er beides heraus und reicht es Rössel.
    Â»Zeichnen Sie eine Karte«, sagt er.
    Â»Eine Karte?«
    Jan nickt. »Falls wir uns im Wald verirren, dann haben wir immer noch die.« Er erinnert sich, wie exakt er selbst

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