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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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der Gang geradewegs in die Dunkelheit führt.
    Er geht auf die Knie und atmet trockene und staubige Luft ein.
    Â»Ich krieche jetzt rein.«
    Und damit kriecht er los. Er macht seinen Oberkörper so schmal und flach wie möglich, beugt den Nacken und schiebt sich, ohne mit dem Kopf anzustoßen, unter den Betonfußboden.
    Es kommt ihm vor, als würde er in einer Krypta umherkriechen, mit unbeweglichen Steinblöcken zu beiden Seiten und der dicken Decke, die auf den Rücken drückt.
    Platzangst? Er muss die Angst verdrängen und darf nicht an Särge und Saunatüren denken. Er kann atmen, er kann sich bewegen. Der Gang ist breit genug, sodass er sich ohne Schwierigkeiten vorwärtsbewegen kann, er kann sich nur nicht umdrehen. Wenn etwas passiert, muss er sich rückwärts schieben.
    Aber was sollte schon passieren?
    Jan hustet und sehnt sich nach Wasser. Es ist staubig hier unten, aber er kommt voran. Als er den Lichtstrahl hebt, meint er zu erkennen, dass der Gang in zehn Metern Entfernung an einer grauen Betonwand endet, aber vielleicht biegt er auch nur ab.
    Er hebt den Schutzengel erneut.
    Â»Ich glaube ... ich glaube, ich bin jetzt unter der Tür des Schutzraums.«
    Er kommt sich etwas lächerlich vor, wenn er so mit sich selbst redet. Und weiß er denn, ob die Wachen oben im Krankenhaus nicht eine technische Ausrüstung haben, mit der sie alles mithören können, was er sagt? Das weiß er nicht.
    Er senkt den Schutzengel, beißt die Zähne zusammen und kriecht weiter. Erst das eine Bein, dann das andere. Kriechen, weiterkriechen.
    Ungefähr fünf Meter entfernt sieht er plötzlich etwas in der Decke. Er hebt die Lampe wieder und erkennt eine Metallluke. Eine geriffelte Bodenluke, genau wie die, durch die er eingestiegen ist.
    Dieser Anblick lässt ihn so schnell wie möglich vorankriechen. Ständig stößt er sich die Schultern und den Kopf am Beton, seine Hände und Knie sind schon taub, doch schließlich ist er angekommen.
    Er legt den Schutzengel vor sich und drückt die Hände gegen die Luke. Sie sitzt lose, und es knackt ein wenig, dann löst sich die schwere Luke. Er kann sie langsam und vorsichtig zur Seite schieben.
    Ãœber ihm öffnet sich ein schwarzer Spalt, durch den aber kein Licht fällt. Im Raum darüber ist es stockfinster, und als er die Luke zur Seite geschoben hat, ist es mucksmäuschenstill.
    Langsam richtet Jan sich auf, den Schutzengel in der Hand. Er steht in einem viereckigen Loch in einem Betonfußboden, eine Öffnung, die eine Kopie derjenigen ist, in die er hinuntergeklettert ist.
    Mühsam klettert er aus dem Loch.
    Â»Alles gut gegangen«, flüstert er in den Schutzengel. »Ich bin durchgekommen, ich bin drin, in einer Art Keller.«
    Dann schaltet er den Apparat aus, es kommt ihm gefährlich vor, hier in der Stille laut zu sprechen. Er hebt die Lampe und dreht sich mit ihr wie mit einem Säbel einmal um die eigene Achse. Aber der Schutzengel ist keine Waffe, Jan hat nichts, womit er sich verteidigen könnte, und er fühlt sich wie ein Vierjähriger, den man in einem großen, dunklen Haus allein gelassen hat. Hier auf der anderen Seite der Stahltür ist die Luft feucht.
    Hier liegen auch keine Teppiche auf dem Fußboden, und an den Wänden hängen keine fröhlichen Bilder. Eigentlich hatte er gedacht, dass es sich besser anfühlen würde, aus dem engen Tunnel herauszukommen.
    Er steht in einem leeren Flur, der sich weiter fortsetzt, abbiegt und in der Dunkelheit verschwindet. Doch als er dort um die Ecke sieht, entdeckt er in sieben oder acht Metern Entfernung auf der linken Seite eine kohlrabenschwarze Türöffnung.
    Jan zögert, aber dann schleicht er leise und vorsichtig darauf zu.
    Er ist jetzt in einer fremden Welt und völlig auf sich gestellt. Aber er blinzelt gegen die Dunkelheit an, und es gelingt ihm, das Gesicht von Alice Rami heraufzubeschwören. Nicht, wie sie aussah, als sie sich in ihrer Jugend begegneten, sondern wie er sie sich an all den einsamen Abenden, wenn er dalag und phantasierte, als Erwachsene vorgestellt hat. Schön, intelligent, erfahren. Vielleicht ein wenig erschöpft und von der vergangenen Zeit gezeichnet, aber stark und lächelnd.
    Rami, seine erste Liebe, seine einzige Freundin.
    Jan sucht nach einem Lichtschalter im Flur, kann aber keinen finden. Ohne das Licht des Schutzengels wäre es hier unten

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