So coache ich
Kunde/meine Kundin und ich aus dem Coaching wie aus einer Trance auf und verabschieden uns wie gute Freunde. »Darf ich Sie umarmen?«, werde ich dann manchmal gefragt. Ja, gerne.
Wenn Sie coachen wollen, bedeutet es für Sie: Coachen heißt nicht führen, sondern dienen. Was der andere Mensch braucht, das allein steht im Mittelpunkt. Sie können dazu beitragen, dass er auf seine Lösungen kommt. Mehr nicht (und das ist viel!). Stellen Sie sich ganz in den Dienst der Sache. Hören Sie aufmerksam zu und bleiben Sie bei Ihrem
Gegenüber. Zollen Sie seinen Gedanken oder Gefühlen Respekt. Durch gezielte Fragen und große Achtsamkeit bei den Antworten, können Sie dem anderen helfen, »sich selbst auf die Schliche zu kommen«.
4. Wahrnehmen, was ist
Zuhören ist das eine, hinschauen das andere. Menschen können irgendwo hingucken und nichts sehen. Beim Coachen geht es auch darum, seine visuelle Wahrnehmung zu schärfen. Wie guckt der andere, während er etwas erzählt? Wie reagiert er auf Fragen? An welcher Stelle stockt er? Wann verändert sich die Stimme? Ich sehe die »Aber« im Gesicht und in der Körperhaltung meiner Klienten, ich sehe sie mit meinen »Coaching-Augen«, auch wenn sie gar nicht ausgesprochen wurden.
Ohne diese wichtigen Informationen ginge das Gespräch in eine ganz andere Richtung. Und andersherum funktioniert es genauso. Wenn Sie wissen wollen, ob Sie im Coaching-Gespräch auf dem richtigen Weg sind, achten Sie auf die kleinen Zeichen: Wann zuckt es im Gesicht Ihres Gesprächspartners, wann bekommen seine/ihre Augen Glanz? Wann strafft sich der Körper?
Alfons Schön, der Regisseur meiner TV-Sendung, hat mir nach den ersten Aufzeichnungen erzählt, ihm sei aufgefallen, dass meine Gäste im Studio wie »gebannt« mit mir arbeiten würden. Sie würden direkt vergessen, dass sie in einem Studio stehen, Kameras laufen und andere Gäste (und Hunderttausende von Zuschauern) zuhören. Ich glaube, das geht nur, weil auch ich mich ganz auf die Situation und auf meine Gäste einlasse, Kameras hin oder her. Um das zu unterstützen, hat übrigens der Regisseur eine kabellose, tragbare Kamera eingeplant, die mich verfolgt, egal wie ich mich bewege und wie ich stehe. Damit bin ich noch viel
freier, spontan zu handeln und mit der Aufmerksamkeit ganz bei den Coachees zu sein.
Sobald ich überlegen würde, ob ich vorteilhaft dastehe, ob mich die richtige Kamera einfangen kann, wie das wohl hinterher aussehen würde, verlöre ich leicht den Kontakt zu dem Menschen, mit dem ich eine Lösung finden will. Das ist übrigens gar nicht so einfach, wenn Sie wissen, dass Hunderttausende zuschauen und ja auch irgendwie unterhalten werden möchten.
Wenn Sie coachen wollen, müssen Sie also Ihre Fähigkeit entwickeln, sich ganz auf Ihr Gegenüber konzentrieren zu können. Arbeiten Sie daran, im Kopf alles andere beiseiteräumen zu können – die Steuererklärung, das undichte Dach, die Sechs in Mathe Ihres Kindes. Dafür eignet sich die »Stopp«-Methode hervorragend:
Die Gedanken schweifen ab? Holen Sie ein gedankliches Stopp-Schild hervor. Halt, zurück zum anderen.
Sie denken schneller, als der andere reden kann? Stopp.
Sie haben schon eine Lösung im Kopf, während der andere noch mühsam versucht, die Situation zu beschreiben? Stopp. (Idee kurz aufschreiben, weglegen für später.)
Und die ganze Aufmerksamkeit wieder ins Hier und Jetzt.
5. Spüren, was fehlt
Coaching ist zwar zielorientiert, aber ergebnisoffen. Es geht nicht darum, nach einem gewissen Zeitraum die fertige Lösung zu haben. Setzen Sie auf Impulse, auf die Möglichkeit, Gedankentüren zu öffnen. Aber arbeiten Sie nicht auf eine schnelle Lösung hin. Und noch mehr als das: Seien Sie nicht zu zufrieden mit schnellen Lösungen. Wenn wir anderen Menschen helfen wollen, geraten wir leicht in die Gefahr, »Abschlüsse« zu tätigen: »Okay, das klingt gut, das gefällt mir, also das machst du.« Dahinter steckt der Gedanke:
Also, das ist doch schon was, ich bin zufrieden, jetzt soll der andere mal ins Handeln kommen.
Aus 20 Jahren Erfahrung weiß ich: Manchmal wollen Menschen, die sich einem Coach anvertrauen, tatsächlich genau das – den ersten oder letzten Puzzlestein zu einer klaren Entscheidung. Manchmal wundere ich mich sogar, warum Menschen überhaupt in mein Coaching kommen, eigentlich wissen sie genau, was sie machen wollen. Ich habe die Erfahrung gemacht, diese Klienten wollen quasi nur noch einen »Expertenstempel« haben: »Ja, mach
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