So coache ich
es!«
Und dann gibt es andere Menschen, die eigentlich schon mit klaren Vorstellungen kommen, und ich wundere mich, warum tun sie es nicht einfach, wenn die Lösung doch schon so klar ist. Und dann stellt sich heraus: Da gibt es noch eine tiefere Ebene, die nicht die praktische Lösung, sondern die Möglichkeit zum Sprechen – über sich – braucht.
Denn funktionieren kann dieser Mensch wahrscheinlich eh schon gut. Nach außen ist er oder sie oft sehr erfolgreich: »Mein Job, mein Haus, meine Familie …« Im Coaching braucht er frische Luft zum Atmen, braucht den Abbau von Druck, das Freilegen von Sehnsüchten, das Zeigendürfen von Ängsten, die Erlaubnis zum Spinnen, den Mut, das Unmögliche zu denken. Und er braucht die Möglichkeit, alles infrage zu stellen, was vorher als selbstverständlich galt.
Was in einem Fernsehstudio nicht möglich ist, jedenfalls wenn man nicht auf Voyeurismus setzt, das können Coaches hinter der geschlossenen Tür bieten: Raum zum Entfalten, zum Loslassen, zum Fließenlassen. Raum, um ganz klein sein zu dürfen und ganz groß. Die Erlaubnis, zugeben zu dürfen, dass man nicht weiterweiß. Und der weite Horizont, um Träume zu formulieren, für die uns die Familie, die Vorgesetzten, ach, die ganze Welt auslachen würde.
Ich erinnere mich an eine Frau, die ins Coaching gekommen war, um beruflich noch erfolgreicher zu werden. Und
gegangen ist sie mit Überlegungen, wie sie ihre Ehe retten könnte. Im Lauf des Coaching sind wir plötzlich durch einen einzigen Impuls (das Alternativrad – siehe gleichnamigen Abschnitt) auf das wirklich drängende Thema zu sprechen gekommen, das weder mir noch ihr vorher bewusst war. 4 Deshalb noch einmal eindringlich formuliert: Vorsicht vor zu schnellen Lösungen. Vielleicht verkleistern sie nur, was eigentlich hervordrängen wollte.
6. Die eigene Beschränktheit erkennen
Jetzt kommt noch eine ganz besondere Gabe ins Spiel: die eigene Beschränktheit zu erkennen, aber sie nicht zum Maßstab zu machen.
Stellen Sie sich vor, Ihr Freund braucht Ihr Ohr, weil er einen wagemutigen Plan hat. Sie halten diesen Plan für illusorisch.
Mir geht das auch manchmal so. Da höre ich in Coachings oder Seminaren von Träumen, die ich selbst für unerfüllbar halte. Wie schnell ist man da mit tausend Gründen, die dagegensprechen, zur Stelle. Klienten können einen etwas anderes lehren.
Nur weil Sie sich etwas nicht vorstellen können, muss es nicht unmöglich sein. Nur weil Sie andere Erfahrungen gemacht haben, muss der andere nicht scheitern. Nur weil Ihnen die Erfolgsfantasie fehlt, muss der andere nicht spinnen.
Meine Erkenntnis für alle, die coachen: Wer sind Sie, dass Sie die Träume der Menschen, die Sie coachen, zerstören? Woher wissen Sie, was geht und was nicht geht? Auch noch so viel Erfahrung sollte Sie nicht verleiten, ein Urteil zu
sprechen – Daumen rauf oder Daumen runter. (Das unterscheidet Coaching übrigens vom reinen Beraten.) Was Sie allerdings leisten können, ist, immer und immer wieder nachzufragen und zum Nachdenken anzuregen:
»Haben Sie eine Ahnung, ob jemand für dieses Produkt bezahlen würde?« Wenn nicht: »Wie werden Sie herausfinden, ob jemand Geld dafür bezahlen würde?« »Was ist der erste Schritt?«
Oder: »Gibt es schon eine Führungskraft in Ihrem Unternehmen, die nur drei Tage die Woche arbeitet?« Wenn nicht: »Was gibt Ihnen die Überzeugung, dass es möglich ist?« »Welche Strategie brauchen Sie dafür?«
Oder: »Interessant, dass Sie Bundeskanzlerin werden möchten. Wissen Sie schon, wie Sie das anstellen werden?« Wenn nicht: »Wie wird man Bundeskanzlerin?« »Welche Schritte sind Sie schon in diese Richtung gegangen?«
Zu viel Erfahrung im Wirtschaftsleben oder im Leben allgemein droht manchmal in Borniertheit umzuschlagen. Das zu verhindern, ist eine immerwährende Anstrengung. Also, so wichtig Lebenserfahrung ist für den, der coacht, so wichtig ist es auch manchmal, die Klappe zu halten. Das heißt nicht, Menschen in realitätsfernen Spinnereien zu bestärken: »Klar werden Sie einen Bestseller schreiben!« Aber es heißt eben auch nicht, dass das Damoklesschwert der Unmöglichkeit über uns hängt. Sondern wir können helfen, nüchtern die Chancen abzuchecken.
Ich bin durch viele Coachings etwas erfahrener geworden, was meine Meinung angeht. Nein, ich habe nicht immer recht. Meine Konsequenz daraus: Ich lasse mich seither immer wieder gerne überraschen.
Und für eine andere Beschränktheit
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