So coache ich
bin der Mann, der gerne mal wieder angeln gehen wollte. Ich habe, wie verabredet, mit meiner Frau gesprochen. Sie hat gesagt, geh doch angeln, wenn du das gerne möchtest! Danke für Ihre Hilfe.«
Investition in diese Veränderung: fünf Minuten im Seminar, zehn Minuten im Gespräch mit seiner Frau – für eine Freude, die er sich selbst macht und die sein Leben ein bisschen schöner macht. Vielleicht wird Ihnen an diesem kurzen Beispiel klar, wie hilfreich Kurzcoaching sein kann. Und wir sollten auch bei der kleinsten Mini-Mäuseschritt-Übung die Auswirkung nicht unterschätzen: Coaching kann so zur Salutogenese beitragen, sprich zur Gesunderhaltung – von Menschen, Motivation und Beziehungen.
Und noch etwas lässt sich an dieser kleinen Coaching-Episode zeigen: Überhaupt nicht hilfreich wäre gewesen, wenn ich die Distanz nicht hinbekommen hätte. Wenn ich mich beispielsweise entrüstet hätte: »Was denn, wollen Sie Ihre Familie überhaupt nicht mehr sehen?« Oder getröstet: »Ja, das ist blöd. Ach Mensch, Sie Armer. Vielleicht können Sie es in ein paar Jahren noch mal versuchen, wenn die Kinder groß sind.« Oder appelliert hätte: »Arbeiten Sie halt weniger! Das kriegen Sie schon hin.« Oder mich solidarisiert hätte: »Was haben Sie denn für eine herzlose Frau, die Ihnen das nicht gönnt?«
Das unterscheidet das Coachen von ganz vielen Stellungnahmen,
die wir zu den Problemen anderer Menschen einnehmen – trösten, bestärken, beschwichtigen, Standpauke halten, anweisen. Vielleicht kennen Sie den Vergleich: Im Wort Ratschlag verbirgt sich das Wort »Schlag«. Deshalb geht es beim Coachen nicht darum, anderen Menschen Ratschläge zu geben. Die enthalten immer den verbalen Zeigefinger. Aber den Horizont zu erweitern, den Blick über den Tellerrand zu ermöglichen, das macht Sinn. Also Angebote zu machen, Alternativen aufzuzeigen – das kann sehr hilfreich sein. Und ich bin eine Verfechterin davon, als Abschluss die Terminfrage zu stellen: »Bis wann werden Sie was machen?« Erst wenn es zum »Commitment« kommt, also wirklich der Wunsch, etwas zu tun, überhandnimmt, gibt es die Chance, dass die Lösung wirklich umgesetzt wird. Und wenn nicht, dann nicht. Der Mensch, der sich auf keinen Termin einlässt, der spürt, dass es noch nicht das ist, was er wirklich will. Und das akzeptiere ich.
Meine Erfahrung aus 20 Jahren Coaching: Die meisten Menschen haben die Lösung für ihr Problem, ihren Wunsch, schon in etwa im Kopf. Eigentlich wüssten sie, was sie tun könnten. Manchmal ist ihnen das nicht bewusst, manchmal erscheint es ihnen zu einfach oder zu schwer. Manchmal kommt man erst im Dialog auf eine gute Idee. Manchmal fehlt der letzte Impuls, um zu handeln. Manchmal brauchen sie die Erfahrung von jemandem, der über viel Lebenserfahrung verfügt. Und manchmal brauchen sie quasi den »Stempel« von jemandem, den sie für kompetent oder eine Autorität halten – »Ja, tu es!« Und manchmal brauchen sie den Coach einfach, damit er das Türchen im Hirn aufsperren hilft, hinter dem sich die Lösung versteckt.
Würden Sie sich zutrauen, einem Menschen so auf die Sprünge zu helfen? Oder haben Sie gerade eine Anregung für sich selbst bekommen, wie Sie an ein Problem herangehen könnten? Gut. Seit vielen Jahren lasse ich SeminarteilnehmerInnen
ausprobieren, wie es ist, sich gegenseitig zu coachen. Und die Ergebnisse sind wirklich überzeugend: Viele verstehen das Prinzip »Fragen, nicht sagen!« sehr schnell. Und sie können wirklich die anderen in ihrem Team in wenigen Minuten auf gute Gedanken bringen (mehr nicht, aber das ist doch Gold wert!).
Acht Prinzipien des Coachens
Nicht jeder Mensch kann eislaufen oder Tango tanzen. Nicht jeder Mensch ist einfühlsam und kann gut zuhören. Natürlich fühlt sich auch nicht jeder zum Coachen berufen. Aber ich bin sicher, dass viel mehr Menschen, als die meisten Kollegen denken (oder fürchten), sich Coaching-Fähigkeiten aneignen und die in diesem Buch vorgestellten Methoden sinnvoll einsetzen können.
Es bedarf darüber hinaus einiger Grundsätze, die meiner Meinung nach jeder berücksichtigen sollte, der Menschen helfen möchte, die eigene Lösung zu finden, der also coachen und nicht beraten oder gar manipulieren will. Hier deshalb die acht Prinzipien zum Coachen, die ich für unabdingbar halte:
1. Nicht den ersten Blick werten
Geht das denn überhaupt? Ja, das kann man lernen. Sie sehen eine Frau in einer roten Bluse, einem blauen Rock und
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