So ein Mist!
Sirenen.
»Sie werden es nicht rechtzeitig schaffen!« Ich raste zur Tür.
Ein paar Leute hatten sich in der Mitte des Rasens eingefunden, gingen aber nicht näher an das Haus heran. Ich nehme an, dass sie durch die Hitze zurückgehalten wurden.
Nichts konnte mich aufhalten. Der Schweiß lief mir in Strömen übers Gesicht, aber ich ignorierte die Hitze. Ich ergriff denKnauf, worauf ich aufschrie und den Arm zurückzog, als das heiße Metall meine Finger verbrannte.
Ich trat gegen die Tür. Sie musste durch das Feuer schon so beschädigt worden sein, dass sie nicht mehr besonders stabil war. Sie zersplitterte im Bereich der Scharniere. In der mit Rauch durchzogenen Luft konnte ich kaum die vor mir liegende Treppe ausmachen. Als ich zwei Schritte weit drin war, musste ich zurückweichen. Der Rauch reizte meine Lunge wie Topfreiniger. Ich konnte nicht atmen.
»Nathan!«, schrie Mookie. »Stopp! Es ist zu gefährlich.«
»Ich muss es versuchen.«
Abigail würde sterben, wenn ich sie nicht retten würde. Sterben, und das wirklich und für immer. Der Rauch würde sie umbringen. Ich würde sterben, wenn ich versuchen würde, reinzukommen. Der Rauch würde mich aber nicht umbringen, wenn ich schon tot wäre. Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich zog meinen Schuh aus, zerrte meine Socke runter und riss das Wundpflaster ab.
Der Tod kam mit überwältigender Kraft zurück.
Ich fühlte mich, als hätte mir ein Riese mit der Faust auf den Kopf geschlagen. Ich fiel flach auf den Rücken. Mein Körper wurde gefühllos, ich konnte keinen Rauch mehr riechen. Meine Augen brannten nicht mehr. Meine Lunge hörte auf, nach frischer Luft zu schreien.
Ich zog rasch meinen Schuh wieder an und stürzte ins Haus. Obwohl ich die Hitze nicht mehr spürte, konnte ich doch das Feuer hören. Überall um mich herum zischte und knisterte es. Ich prüfte meine Kleider, um sicherzustellen, dass sie nicht in Flammen aufgegangen waren. Ich könnte am Verbrennen sein, ohne es überhaupt zu wissen.
Abigail hatte sich an einem Fenster auf der linken Seite des Hauses aufgehalten. Ich raste die Treppe hinauf. Ich konnte überhaupt nichts sehen. Ich wollte fliehen. Seit ich ein kleiner Junge war, hatte ich jederlei Rauch vermieden. Ich war sicher, dass ich in Ohnmacht fallen würde. Ich kämpfte gegen meine Panik an und ging weiter.
Ich tastete mich den Gang entlang, bis ich an eine Tür gelangte. Von der Tür aus ging ich geradeaus durch das Zimmer, bis ich an die Wand stieß. Dann kroch ich die Sockelleiste entlang, bis ich Abigail fand. Sie lag zusammengesackt an der Wand neben dem Fenster.
Es würde zu lange dauern, sie aus dem Haus zu schleifen. Ich hob sie auf meine Arme und rannte zur Treppe zurück. Es war ein Wunder, dass ich den Weg fand. Ich konnte nichts sehen. Bis auf dieses winzige Gefühl von Druck konnte ich nicht wirklich etwas spüren. Aber ich hatte keine andere Wahl, als rauszukommen – also tat ich genau das.
Das Feuer erstreckte sich über alle Wände im Erdgeschoss, doch ich wusste, dass ich schnell genug durchkommen würde, um Abigail zu retten. Ich hoffte nur, dass sie nicht schon zu viel Rauch eingeatmet hatte. Sie sah aus, als würde sie schlafen.
»Schlafend ist nicht tot«, flüsterte ich.
In dem Moment, in dem ich den Rasen erreichte, riss mir jemand Abigail aus den Armen und fing an, sie mit Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben.
Ich wankte zurück. Ein lebendiger Mensch wäre ausgepowert, würde husten, würgen und zittern. Ich hatte nur Angst. Meine Arme und Beine fühlten sich tot an. Ich wackelte mit den Zehen in meinen Schuhen. Sie waren tot. Genau wie der Rest von mir.
Alles von mir. Ich war ein vollständiger Zombie. Für alle Zeiten.
Mookie kam zu mir herüber. Bevor er etwas sagen konnte, hörte ich ein Husten. Abigail öffnete die Augen.
Ich kniete mich neben sie. »Geht’s dir gut?«
Sie nickte. »Du hast doch nicht …?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Doch, hab ich.«
»Aber …«
»Ein sehr kluger Mensch hat mir mal gesagt, dass eine Lösung kein Kleidungsstück ist und dass man nicht immer genau das findet, was man will.«
»Ich schätze, manchmal musst du halt den Hosenzieher nehmen«, sagte Mookie.
Abigail lächelte mich an und flüsterte: »Hi, Zombie.«
Ich lächelte zurück. »Hi, Schlauberger.«
Jemand klopfte mir auf den Rücken. »Junge, du bist ein Held!«
»Nicht der Rede wert.«
Ich blieb so lange bei Abigail, bis der Krankenwagen eintraf. Sie brachten
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