So einfach kann das Leben sein
als einer, der sich nicht krampf haft bewahren muss, sondern unendlich gütig bewahrt wird. „Du bist das höchste Gut!“, betet Franziskus von Assisi zu Gott.
Wer einfach gut sein will, braucht Zeiten der Ruhe. Dafür muss man alle Ansprüche des Lebens zähmen lernen. Jeder hat nur vierundzwanzig Stunden Zeit am Tag. Und gleich wie viele davon erfüllt sind von Liebe zu anderen Menschen und von Pflichterfüllung: Auch das menschliche Herz hat einen Anspruch darauf, sich zu ordnen. Damit wir noch wissen, warum wir handeln und wohin das alles führen soll, müssen wir es pflegen. Nicht gleich nach dem Einparken vor dem Haus aus dem Auto springen – hin zum Arbeitsplatz oder in die Familie –, sondern drei Minuten ruhig sitzen bleiben. Nicht gleich Fernseher oder Radio oder Internet einschalten, sondern sich einhüllen lassen von der Ruhe, die man daheim genießen kann. Wer das zu seinem Lebensstil macht, lässt sich weniger leicht mitreißen in ein sinnloses Geschwätz und bewahrt sich davor, sich nur noch treiben zu lassen.
Die Ruhe ist die Fassung für den Weg in die Tiefe. Meditation meint: Die Mitte der Welt erfassen wollen. Durch das alles hindurchblicken zu wollen, um darin dem einen nahezukommen. Im Christentum ist der meditative Weg ein beständiges Üben des liebevollen Verweilens beim göttlichen Du. Er gibt der Ruhe die Qualität der Liebe. Meditativ macht sich das Herz bereit, verwandelt zu werden in der liebevollen Vereinigung mit seinem Schöpfer, der auch der Schöpfer der ganzen Welt ist. „Gott sah, dass es gut war“, lautet der Refrain im Schöpfungslied zu Beginn der Bibel. Wer sich einlässt auf den Weg zu Gott, wird offen für Gottes Weg zum Menschen. So wird Gutsein weniger zur Leistung, sondern eher zu einer Selbstverständlichkeit, mit der man Gott zur Welt kommen lässt.
Das ruhige Verweilen bei Gott in der Meditation sammelt die Gedanken aus den Begegnungen des Alltags. Alles, was wir empfinden, wird zum Gebet. Alles, was wir denken, können wir auf Gott hin öffnen: Er „kennt die heimlichen Gedanken des Herzens“ (Psalm 44,22). Im Beten braucht nichts geschönt zu werden. Unsere Traurigkeit und unsere Freude, unsere echte Liebe und unsere schamlose Gier dringen zu ihm. Rufend oder seufzend, klagend oder lobpreisend, zweifelnd oder fest überzeugt stellen wir uns ihm mit unserer ganzen Existenz. So gehört zu werden, ermutigt zum Gutsein: „Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genossen wird“ (1 Timotheus 4,4).
Die Bibel ist eine riesige Fundstelle für die Frage nach dem Gutsein. Wenn Gutsein nicht eine schier unerfüllbare Forderung bleiben soll, braucht es eine Anleitung, die gleichzeitig tröstet und herausfordert. Wer sich Zeit nimmt, biblische Texte zu lesen, findet dort Weggefährten für sein Vorhaben, einfach gut sein zu wollen. Er kann eintauchen in Geschichten von Erfolg und Versagen, Erfüllung und Enttäuschung – immer verbunden mit der Erfahrung, dass Gott nicht fern ist, wenn man ihm ehrlich sein Leben anvertraut. „Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe, allen, die zu ihm aufrichtig rufen“ (Psalm 145,18). Mit der Verbindung zu Gott wird Gutsein zu einer Aufgabe, die nicht überfordert, aber einfordert: „Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht!“ (Römer 12,17).
Und schließlich gilt es, darüber zu sprechen. „Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“ (Lukas 18,19). Deswegen brauchen wir uns nicht zu verstecken, wenn wir uns unfähig fühlen zum Gutsein. Die anderen haben auch ihre Probleme, gut zu bleiben trotz aller bösen Erfahrungen. Statt sich aber ständig über andere aufzuregen, sucht der, der gut sein will, das Gespräch mit dem, der ihm Böses tat. Und da dies oft nur schwer möglich ist, hilft er sich mit dem vertraulichen Gespräch, für das er Freunde aufsucht oder einen Seelsorger. Viele warten zu lange und vergehen schier vor Verzweiflung darüber, dass ihnen so wenig Gutes gelingen will. Ein gutes Gespräch öffnet uns die Augen für die kleinen Schritte, die schon gelungen sind; es ermutigt zu einer neuen Sichtweise und weist auf Aspekte des Gutseins hin, die wir selber nicht sehen konnten.
8.
Glauben wagen
oder: Wie man dem Leben eine Seele gibt
W as wir glauben , hängt von vielem ab. Erziehung ist das eine, Erfahrungen sind das andere. Jeder hat da seine eigene Geschichte. Deswegen haben viele den Eindruck, jeder habe auch seinen eigenen Glauben. Wäre das so,
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