So fern wie ein Traum
er ihre geballten Fäuste an seine Lippen, bog ihre Finger zurück und küsste ihre Handflächen. »Und vergiss nicht, Süße, du hast noch eine Menge bei mir gut.«
Er schlenderte davon und blieb lange genug neben der Picknickdecke stehen, um eines der Brote zu stibitzen und den kichernden Mädchen zuzublinzeln. Als er sich schließlich weit genug entfernt hatte und als sie meinte, dass die Röte aus ihrem Gesicht verschwunden war, gesellte sich auch Laura zu den anderen.
»Mr. Fury hat dir die Hand geküsst, Mama«, stellte Kayla durchaus zufrieden fest. »Genau wie im Kino.«
»Er hat einfach einen kleinen Scherz gemacht.« Laura hob ein Glas Limonade an ihren trockenen Mund. »Er hat mir erzählt, welche Fortschritte ihr beiden beim Reiten macht.« Obgleich in ihrem Magen immer noch ein Dutzend Schmetterlinge flatterten, nahm sie ein Stück Apfel aus dem Picknickkorb. »Ich glaube, die Stunden machen ihm ebensolchen Spaß wie euch.«
»Sie sind ganz in Ordnung.« Obgleich sie Desinteresse heuchelte, unterzog Ali ihre Mutter einer eingehenden Musterung. Der Handkuss hatte auf sie nicht wie ein kleiner Scherz gewirkt. Und ihre Mutter trug eine kleine blaue Blume hinterm Ohr.
»Michael scheint zu denken, ihr beide hättet wirklich Talent.«
»Du solltest selbst wieder mit dem Reiten anfangen, Laura.« Zufrieden mit den Geschehnissen schob sich Margo genüsslich einen Käsewürfel in den Mund. Nein, der Handkuss hatte nicht wie ein Scherz, sondern einfach perfekt auf sie gewirkt.
»Ich werde darüber nachdenken.« Es drängte sie, Michael hinterher zu sehen, wie er den Hügel zum Herrenhaus erklomm, doch sie zwang ihren Blick gen Westen auf das Meer hinaus.
9
Sie konnte einfach nicht einschlafen, obwohl sie hundemüde war. Laura redete sich ein, es läge an der hellen, sternklaren Nacht, dass es eine Schande wäre, wenn man sie nicht genoss. Aber sie wusste, ihre Träume hielten sie vom Schlafen ab.
Sie hatte angefangen, von ihm zu träumen, und diese Träume überraschten und schockierten sie.
Tagsüber gelang es ihr durch schiere Willenskraft, ihre Gedanken in Schach zu halten. Aber wie sollte sie beeinflussen, was sich nachts in ihre Träume stahl?
Ihre Träume waren eindeutig… sexueller Natur. Das Wort »Erotik« war zu zahm, zu förmlich für das, was sich in ihrem Kopf abspielte, während sie schlief.
Sie sollte diese Träume akzeptieren, über sie lachen, sollte sie vielleicht sogar ihren Freundinnen erzählen, doch das alles gelang ihr einfach nicht. Und zwar deshalb, dachte sie, während sie durch den nächtlichen Garten schlenderte, weil sie noch nie etwas von den Dingen getan hatte, wonach ihr Körper sich zu sehnen schien.
Dieser raue, schweißtreibende, elementare Sex war etwas vollkommen anderes als die Träume, die sie als junges Mädchen gehegt hatte – abgesehen von den wenigen schockierenden Träumen, in denen bereits damals Michael vorgekommen war. Das waren normale hormonelle Verirrungen gewesen, keine Sehnsüchte, redete sie sich jetzt ein. Am besten dächte sie gar nicht mehr darüber nach. Auf alle Fälle hatte sie früher liebliche Träume gehabt, hatte sich Liebe in all ihren Formen als etwas Reines und Zärtliches vorgestellt. Nie hatte in diesen Träumen jemand Stoff zerrissen, oder hatten schwielige Hände ihren Leib zerdrückt, nie hatte sie vor Erlösung laut geschrien.
Und auch während ihrer Ehe, dachte sie und verzog schmerzlich das Gesicht, hatte sie solche Dinge nie erlebt.
Peter hatte niemals ihre Kleider zerrissen, sie auf den Boden gezerrt, sie zur Ekstase getrieben, bis sie schrie. Vor langer, langer Zeit hatte er sie zärtlich, ja beinahe vorsichtig geliebt. Dann hatte er jegliches Interesse verloren. Dafür hatte sie sich die Schuld gegeben, denn sicher hatten ihre Zurückhaltung, ihre Naivität, ihre Steifheit nicht gerade seine Lust geweckt. Nun, da sie selbst diese dunklen menschlichen Begierden zu erahnen begann, könnte sie vielleicht akzeptieren und sogar verzeihen, dass er fremd gegangen war.
Nun, da sie diese dunklen, menschlichen Begierden selbst empfand.
Aber von wildem Sex zu träumen und ihn tatsächlich zu erleben waren zwei vollkommen verschiedene Dinge, dachte sie. Sie vergrub die Hände in den Taschen ihrer Jacke, atmete die kühle Nachtluft ein und hoffte, dass sich auch ihre Gedanken so weit abkühlen würden, dass sie endlich Ruhe fand.
Sie würde nicht zu Michael gehen. Ob aus Feigheit oder Weisheit wäre ihr egal. Er war einfach ein
Weitere Kostenlose Bücher