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So fern wie ein Traum

So fern wie ein Traum

Titel: So fern wie ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sie allein sein musste, um zu denken, Pläne zu schmieden oder zu schmollen. Sie hatte nicht gewusst, dass auch ihre Mutter hierher kam. Die Klippen waren der Ort, an den sich ihre Mutter immer zurückzog. Aber heute saß sie hier auf einer Marmorbank und schluchzte heftig.
    Nie zuvor hatte sie ihre Mutter derart weinen gesehen, die Hände vor dem Gesicht, mit bebenden Schultern, überströmt von großen, hilflosen Tränen, voller Hoffnungslosigkeit.
    Erschrocken starrte sie auf die Frau, die in ihren Augen stets unbesiegbar gewesen war, und die nun wie ein Häuflein Elend in sich zusammengesunken alles Leid der Welt verkörperte.
    Meinetwegen, begriff Ali und hielt entsetzt den Atem an. Meinetwegen ist sie so unglücklich.
    »Mama.«
    Lauras Kopf schoss hoch. Sie sprang von der Bank, rang vergebens um Beherrschung. Zu müde, zu verletzt, um noch zu kämpfen, sah sie ihre Tochter reglos an.
    »Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll. Ich weiß es einfach nicht. Ich kann nicht mehr.«
    Panik, Scham und eine Reihe von Gefühlen, die sie nicht verstand, wallten in Ali auf. Bevor sie wusste, was sie tat, rannte sie in die Laube und schlang die Arme fest um ihre Mutter. »Es tut mir Leid, Mama. Es tut mir Leid. Es tut mir Leid.«
    Im Schatten der Bäume umklammerte Kayla Michaels Hand. »Mama weint. Mama weint ganz fürchterlich.«
    »Ich weiß.« Es tat ihm in der Seele weh, ihre Tränen zu sehen, ihr Schluchzen zu hören und zu wissen, dass er nichts dagegen tun konnte. »Es wird alles wieder gut werden, mein Baby.« Er nahm Kayla in den Arm, und sie vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. »Die beiden müssen miteinander reden, also lassen wir sie besser allein.«
    Kayla schluchzte leise, als er sie davontrug. »Ich will nicht, dass sie weint.«
    »Ich auch nicht, aber manchmal tut Weinen sogar gut.«
    Vertrauensvoll, dass er sie halten würde, lehnte sie sich ein Stück zurück. »Weinen Sie auch manchmal?«
    »Ich tue stattdessen dumme Sachen. Ich fluche oder werfe Sachen an die Wand.«
    »Fühlen Sie sich dann auch besser?«
    »Meistens ja.«
    »Können wir vielleicht jetzt irgendwas an die Wand werfen?«
    Er sah sie grinsend an. Gott, was für ein Wunder dieses Kind doch war. »Aber sicher doch. Am besten machen wir uns sofort auf die Suche nach etwas, was möglichst in tausend Teile zerspringt. Aber fluchen darf nur ich.«
    In der Laube wiegte Laura ihre ältere Tochter begütigend im Arm. Trösten brachte ihr immer selbst Trost. »Schon gut, Ali. Schon gut.«
    »Bitte hass mich nicht.«
    »Ich könnte dich niemals hassen, egal, was immer du auch tust.« Sie blickte in Alis tränenüberströmtes Gesicht. Ihr Baby, dachte sie, voller Liebe, voller Schuldgefühle, voller Scham. Ihre Erstgeborene. Ihr größter Schatz. »Ich liebe dich, Allison, ich liebe dich mehr als alles andere, und daran wird sich niemals etwas ändern«, sagte sie.
    »Du hast aufgehört, Daddy zu lieben«, widersprach das Kind.
    Lauras Herz zog sich zusammen. Weshalb musste nur immer alles derart schwierig sein? »Ja, das stimmt. Aber das war etwas anderes, Ali. Ich weiß, es ist schwer, so etwas zu verstehen, aber das war etwas vollkommen anderes.«
    »Ich weiß, warum er uns verlassen hat.« Ali mühte sich verzweifelt um einen ruhigen Ton. Sie hatte ihre Mutter zum Weinen gebracht und nie zuvor, nein, nie zuvor, hatte sie etwas derart Schreckliches getan. »Es war alles meine Schuld.«
    »Nein.« Laura umfasste Alis Gesicht. »Nein, es war nicht deine Schuld.«
    »Doch. Er mag mich nicht. Ich hatte immer versucht, gut zu sein. Ich habe mich bemüht. Ich wollte, dass er bleibt, dass er uns liebt, aber er wollte mich nicht, und deshalb ist er fortgegangen.«
    Weshalb nur hatte sie diese Dinge nicht bereits viel eher erkannt, fragte Laura sich. Weshalb nur hatte die Psychologin nichts davon bemerkt? Weshalb nur hatte niemand es gesehen? »Ali, das ist einfach nicht wahr. Menschen lassen sich scheiden. Das ist traurig, und es bringt viel Elend über die Familien, aber es passiert nun mal. Bei der Scheidung ging es einzig um deinen Vater und um mich. Du weißt, dass ich dich niemals anlüge, Ali.«
    »Doch, das tust du.«
    Diese Worte taten weh. »Ali?«
    »Du lügst nicht wirklich, aber du benutzt ständig irgendwelche Ausreden, und das ist nichts anderes.« Sie biss sich auf die Lippe aus Furcht, ihre Mutter bräche abermals in Tränen aus. Aber sie musste es endlich einmal aussprechen. »Du findest immer irgendwelche Entschuldigungen

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