So fern wie ein Traum
anschließend hier auftauchst und aussiehst, als könnte dich bereits ein unvorsichtiges Ausatmen meinerseits aus den Schuhen hauen.« Er zog sie hoch und zwang sie, ihn anzusehen. »Ich dachte, du brächtest deine Tage damit zu, dass du ein bisschen Verkäuferin und ein bisschen Hotelassistentin spielst, und ansonsten beim Friseur oder bei der Maniküre sitzt.«
»Tja, da hast du dich offenbar geirrt. Aber so oder so geht dich das alles nichts an. Wo sind die Mädchen?«
Er zitterte vor Zorn, weil er weder in der Lage war, ihr zu helfen noch zu ändern, was geschehen war. »Auf der Koppel.« Schulterzuckend drehte er sich um.
»Allein?« Tausend mögliche Gefahren im Kopf rannte sie auf die Koppel zu, und als sie die beiden Mädchen sah, machte ihre Furcht ehrlichem Entsetzen Platz.
Ihre Töchter ritten fröhlich auf zwei geduldigen Reitpferden im Kreis.
»Bisher lasse ich sie noch nicht durch brennende Reifen springen oder Salti schlagen«, stellte Michael trocken fest. Die Frau war wirklich ein offenes Buch. »Das kommt erst nächste Woche dran.«
»Sind sie nicht wunderbar?« Lauras Zorn auf ihn verflog, als sie, eine Hand auf seinem Arm, den Mädchen beim Reiten zusah. »Ali reitet im Trab. Was für eine gute Haltung sie schon hat.«
»Wie gesagt, sie ist eben ein Naturtalent. Kayla«, wandte er sich dann der Kleinen zu. »Hacken runter.«
Ihre kleinen Stiefel änderten sofort ihre Position, und wie zuvor der Welpe hob sie beifallheischend den Kopf. »Mama! Sieh nur, Mama, ich kann reiten!«, brüllte sie vergnügt.
»Und ob!« Laura trat näher an den Zaun und stellte einen Fuß auf die unterste Latte. »Ihr beiden seht phantastisch aus.«
Hoch erhobenen Hauptes kam Ali zu ihr herübergetrabt und brachte das Pferd mühelos zum Stehen. »Das ist Tess. Sie ist drei Jahre alt. Mr. Fury sagt, dass sie ein tolles Springpferd ist und dass er mir das Springen beibringen wird.«
»Sie ist wunderschön, Ali. Genauso schön wie du, wenn du auf ihrem Rücken sitzt.«
»Deshalb will ich sie auch haben. Ich kann sie mit meinem eigenen Geld kaufen. Ich kann das Geld von meinem Sparbuch nehmen.« Ihre Stimme bekam einen herausfordernden Klang. »Schließlich ist es mein Geld«, sagte sie.
Es war dein Geld, dachte ihre Mutter matt. Peter hatte nicht nur das Geld für die Ausbildung der beiden Mädchen genommen, sondern auch ihre Sparbücher geplündert, ehe er gegangen war. Und sie hatte bisher nur einen Bruchteil des Betrags ersetzt. »Ein Pferd ist eine sehr große Verantwortung, Ali. Es ist nicht damit getan, dass man es kauft. Auch der Unterhalt kostet jede Menge Geld.«
»Wir haben die Ställe.« Sie hatte sich alles sorgsam überlegt. »Und das Futter und das Heu bezahle ich von meinem Taschengeld. Bitte, Mama, ja?«
Durch den Nebel der Erschöpfung nahm Laura die ersten Zeichen einer drohenden Migräne wahr. »Ali, darüber kann ich im Augenblick nicht nachdenken. Lass uns warten und…«
»Dann frage ich eben meinen Vater.« Ali reckte trotzig das Kinn. »Ich rufe ihn an und frage ihn.«
»Das kannst du natürlich gerne tun, aber er hat mit dieser Sache nichts zu tun.«
»Du hattest auch ein Pferd, als du ein Mädchen warst. Du hattest alles, was du wolltest, aber mir sagst du immer, dass ich warten soll. Du verstehst nie, wenn mir etwas wirklich wichtig ist. Du verstehst mich einfach nicht.«
»In Ordnung. Wenn du meinst. Streiten werde ich jetzt auf alle Fälle nicht mit dir.« Da sie kurz vor dem Zusammenbrechen war, wandte sich Laura eilig ab und ging davon.
»Steig ab, Ali.« Michael griff nach dem Zügel der Stute, auf der das Mädchen saß. »Steig ab. Und zwar sofort.«
»Die Stunde ist noch nicht vorbei.«
»Oh doch. Es ist höchste Zeit für eine andere Lektion.« Sobald Ali auf dem Boden stand, schlang er die Zügel des Pferdes um einen Zaunpfahl, hob das Kind hoch, setzte es auf den Zaun und sah es reglos an. »Meinst du, du hast das Recht, so mit deiner Mutter zu reden?«, fragte er.
»Sie hört einem nie zu…«
»Nein – du hörst nicht zu, und du achtest auf nichts. Aber ich habe zugehört, und willst du wissen, was ich gehört habe?« Als sie den Kopf sinken ließ, packte er ihr Kinn und zwang sie, ihm weiter ins Gesicht zu sehen. »Ich habe ein verwöhntes, undankbares Balg gehört, das seiner Mutter gegenüber aufsässig und ungezogen war.«
Sie riss entsetzt die Augen auf. »Ich bin kein Balg.«
»Aber eben hast du die Rolle sehr gekonnt gespielt. Du bildest dir ein, du
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