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So fern wie ein Traum

So fern wie ein Traum

Titel: So fern wie ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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etwas falsch gemacht hatte, musste man es wieder gutmachen.
    Sie war früh aufgestanden, hatte sich für die Schule angezogen und war dann durch die Seitentür geschlichen, damit niemand sie fragte, wohin es sie so zeitig zog. Der alte Joe war heute Morgen da und summte seinen Azaleen eine sanfte Weise vor. Ali mied diesen Teil des Gartens, als sie zu den Stallungen ging.
    Sie war sehr stolz auf die Rede, die sie sorgfältig vorbereitet hatte. Sie hielt sie für erwachsen, würdevoll und intelligent. Ganz sicher würde Mr. Fury, wenn sie fertig wäre, beeindruckt nicken.
    Sie blieb einen Augenblick lang stehen, um die Pferde zu beobachten, die er bereits auf die Koppel geführt hatte. Sicher mistete er gerade die Boxen aus. Als sie Tess sah, versuchte sie, nicht das Gesicht zu verziehen, und erinnerte sich daran, wie es war, wenn sie auf ihrem Rücken saß, sie striegelte und sie mit Äpfeln fütterte.
    Ihre Mutter mochte nicht näher auf das Thema eingegangen sein, aber mit ihrem neuen Wissen war Ali klar, dass der Kauf und Unterhalt eines Pferdes ihre momentanen finanziellen Möglichkeiten überstieg.
    Außerdem hatte sie nicht die Absicht, Mr. Fury um etwas zu bitten, dachte sie. Er hatte sie angebrüllt, gescholten, gedroht, ihr den Hintern zu versohlen. Was eindeutig nicht gestattet war.
    Hoch erhobenen Hauptes betrat sie schließlich die Stallungen und sog all die lieb gewonnenen Gerüche begierig ein. Heu und Hafer, Pferde und Leder. Sie erinnerte sich daran, wie er ihr gezeigt hatte, wie man das Zaumzeug einseifte, wie man ein Pferd abrieb. Wie er sie zum ersten Mal in den Sattel gehoben hatte – und an das erste Lob aus seinem Mund.
    Sie biss sich auf die Lippen. All das war jetzt egal. Er hatte sie beleidigt.
    Sie hörte Geräusche und ging ans Ende der Boxenreihe, wo Michael schmutziges Stroh und Pferdeäpfel in eine Schubkarre schaufelte.
    »Entschuldigen Sie, Mr. Fury.« Ihre Stimme hatte einen vornehmen Klang, der, ohne dass es ihr bewusst war, der Stimme ihrer Mutter zum Verwechseln ähnelte.
    Er blickte über seine Schulter und entdeckte das schlanke junge Mädchen in dem ordentlichen blauen Kleid und den modischen italienischen Turnschuhen. »Du bist aber früh auf den Beinen.« Er stützte sich auf seine Schaufel und sah sie fragend an. »Keine Schule heute?«
    »Ich habe noch ein wenig Zeit.« Sie blickte auf ihre Uhr und faltete die Hände vor ihrem Bauch. Die Gesten erinnerten ihn derart an Laura, dass er verstohlen lächelte.
    »Gibt es vielleicht etwas, was du mir sagen willst?«
    »Ja, Sir. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich so unhöflich war und dass ich in Ihrer Gegenwart einen Familienstreit vom Zaun gebrochen habe.«
    Kleines Fräulein Würdevoll, dachte er bei sich, deine Lippen zittern vor Anstrengung.
    »Entschuldigung angenommen«, sagte er und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    Jetzt war er an der Reihe, sich zu entschuldigen. Schließlich war dies der einzig angemessene Weg, ein Missverständnis aus der Welt zu schaffen, dachte sie. Als er weiter schwieg, runzelte sie die Stirn. »Ich finde, Sie waren ebenfalls ziemlich unhöflich.«
    »Finde ich nicht.« Nachdem er die letzte Ladung schmutzigen Strohs aufgeladen hatte, umfasste er die Griffe der Schubkarre. »Geh besser ein Stückchen an die Seite«, sagte er sanft. »Sonst wird dein hübsches Kleid dreckig.«
    »Sie sind laut geworden und haben mich beleidigt.«
    Er legte den Kopf auf die Seite und sah sie fragend an. »Und was willst du damit sagen?«
    »Sie sollten sich ebenfalls entschuldigen.«
    Er ließ die Griffe wieder los und wischte sich die Hände an seiner Hose ab. »Aber es tut mir nicht Leid. Du hattest es verdient.«
    »Ich bin kein verzogenes Balg.« Sie verzog beleidigt das Gesicht. »Das, was ich gesagt habe, habe ich nicht so gemeint. Ich wollte meine Mutter nicht zum Weinen bringen. Sie versteht das. Sie hasst mich nicht.«
    »Ich weiß, dass sie dich versteht. Sie liebt dich. Ein Kind, das eine Mutter wie sie hat, hat alles, was man sich nur wünschen kann. So etwas nicht zu wollen, wäre ganz schön dumm.
    »Ich werde es nie wieder tun. Ich verstehe jetzt. Ich verstehe jetzt vieles besser als zuvor.« Sie wischte sich eine Träne von der Wange. »Sie können mir ruhig den Hintern versohlen, wenn Sie wollen, und ich werde es niemandem sagen. Aber bitte hassen Sie mich nicht.«
    Michael ging in die Hocke und sah sie reglos an. »Komm her.«
    Zitternd aus Furcht vor dem zu erwartenden Schmerz und

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