So fern wie ein Traum
bräuchtest einfach mit den Fingern zu schnipsen und schon bekämst du alles, was du willst. Und falls das einmal nicht oder nicht schnell genug passiert, dann kriegst du einfach einen Wutanfall.«
»Es ist mein Geld.« Ali blitzte ihn zornig an. »Sie hat kein Recht. . .«
»Da irrst du dich. Sie hat alles Recht der Welt. Deine Mutter ist gerade von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause gekommen. Sie reißt sich nämlich den Arsch auf, damit ihr ein hübsches Zuhause und Essen auf dem Tisch habt, eine gute Schulausbildung und alle möglichen Extras.«
»Ich habe schon immer hier gelebt. Sie bräuchte nicht zu arbeiten. Aber sie lässt uns jeden Tag allein.«
»Mach endlich mal die Augen auf.« Etwas, was er selbst längst hätte tun sollen, dachte er erbost. »Du bist alt genug und intelligent genug, um zu erkennen, was sie euretwegen alles tut.«
Tränen rannen über Alis Gesicht. »Sie hat sich von ihm scheiden lassen. Sie hat zugelassen, dass er geht.«
»Ich nehme an, das hat sie nur getan, um euch eins auszuwischen, ja?«
»Sie wollen mich ganz einfach nicht verstehen. Niemand will mich verstehen«, heulte sie.
»Unsinn. Ich verstehe sogar sehr gut, und das ist der einzige Grund, warum ich dir nicht schon längst den Hintern versohlt habe«, erklärte er.
»Sie können mich nicht schlagen.«
»Wollen wir wetten?« Er beugte sich ein wenig dichter über sie.
Bereits der Gedanke schockierte sie derart, dass sie die Lippen zusammenkniff.
»Sehr gut«, sagte er und nickte mit dem Kopf. »Übrigens, dieses Pferd ist nicht verkäuflich.«
»Aber, Mr. Fury…«
»Außerdem bist du erst dann wieder hier im Stall willkommen, wenn du dich aufrichtig bei deiner Mutter entschuldigt hast. Und falls ich je wieder mitbekomme, dass du ihr gegenüber derart aufsässig bist, versohle ich dir tatsächlich den Hintern, ist das klar?« Mit diesen Worten hob er sie vom Zaun und stellte sie auf ihre Füße.
Ali stemmte die Fäuste in die Hüften und blitzte ihn wütend an. »Sie können mich zu gar nichts zwingen. Sie sind nur ein Mieter.«
»Wer von uns beiden ist größer?« Gelassen stieg er über den Zaun und kümmerte sich um das wartende Pferd. »Und im Augenblick, Miss Ridgeway, stehen Sie auf meinem Grund.«
»Ich hasse Sie.« Ihre Stimme klang erstickt. »Ich hasse euch alle.«
Während Michael die Stute streichelte, stürzte sie davon. »Ja, ich kenne das Gefühl.«
»Sie haben sie angebrüllt.«
Er fuhr zusammen und drehte sich zu Kayla um, die immer noch auf ihrem Pferd saß und ihn mit großen Augen fasziniert betrachtete. Er hatte vollkommen vergessen, dass er nicht mit Ali alleine war.
»Sonst brüllt sie nie jemand so an. Mama hat es ein paarmal getan, aber hinterher hat sie immer sofort gesagt, es tut ihr Leid.«
»Mir nicht. Sie hatte es verdient.«
»Würden Sie ihr wirklich den Hintern versohlen?« Kaylas Augen blitzten auf. »Würden Sie mir den Hintern versohlen, wenn ich frech wäre?«
Die Frage drückte eine solche Sehnsucht nach einem liebevollen, interessierten Vater aus, dass Michael Kayla aus dem Sattel hob und an sich zog. »Ich würde dir den Hintern versohlen, dass du eine Woche nicht mehr sitzen könntest«, sagte er.
Sie schmiegte sich eng an seine Brust. »Ich liebe Sie, Mr. Fury.«
Himmel, was hatte er getan? »Ich liebe dich auch.« Einigermaßen belustigt musste er sich eingestehen, dass er zum ersten Mal in seinem Leben diese Worte gegenüber einem weiblichen Wesen laut äußerte. »Ich war ihr gegenüber ganz schön hart«, murmelte er, dachte an Alis unglückliches Gesicht und kam sich wie ein Verbrecher vor.
»Ich weiß, wohin sie gegangen ist. Dahin, wohin sie immer geht, wenn sie wütend oder traurig ist.«
Er sollte sich nicht weiter einmischen, er sollte sich heraus halten. Er sollte… Mist. »Dann machen wir uns am besten gleich auf den Weg.«
11
Voller Zorn und Scham rannte Ali über den Rasen auf die Glyzinenlaube zu. Niemand verstand und niemand interessierte sich für sie. Diese Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, als sie den Steinweg zwischen Hibiskus- und Jasminbüschen hinunterschoss.
Aber sie interessierte sich ebenfalls für nichts und niemanden. Nichts brächte sie jemals dazu, sich zu interessieren, dachte sie. Zwischen hohen Eiben hindurch eilte sie auf die in helles Sonnenlicht getauchte Laube mit ihren Marmorbänken und dem Blick auf einen kleinen Brunnen zu.
Plötzlich jedoch blieb sie stehen.
Dies war der Platz, an den sie kam, wenn
Weitere Kostenlose Bücher