So fern wie ein Traum
gaben einen herrlichen Blick auf die Bucht frei.
Laura marschierte auf eine von sechs mit reich verzierten Messingschildern versehenen Türen zu, durch die man in den Goldenen Ballsaal kam.
»Man muss euch Templetons einfach bewundern«, sagte er.
»Was?«
»Ihr versteht euer Metier.«
Sie freute sich über diese Worte, blieb kurz stehen und wandte sich ihm zu. »Es ist wirklich wunderschön, nicht wahr? Es ist eins meiner Lieblingshotels, obgleich auch alle anderen etwas ganz Besonderes haben. Das in Rom erhebt sich unmittelbar über der Spanischen Treppe, und der Blick aus einigen Fenstern treibt einem fast die Tränen in die Augen. Das Templeton New York hat einen wunderhübschen Innenhof, wie man ihn mitten in Manhattan niemals erwarten würde. Nur wenige Meter von der Madison Avenue entfernt ist man plötzlich in einer völlig anderen Welt. In den Bäumen hängen zarte Lichterketten, in der Mitte plätschert ein kleiner Brunnen, und es ist himmlisch ruhig. Und in London…« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. »Das ist ein Thema, damit fange ich am besten gar nicht erst an.«
»Ich dachte immer, du nimmst das alles als gegeben hin. Offenbar habe ich mich da geirrt«, murmelte er, während er neben ihr weiter in Richtung Ballsaal ging. »Es scheint, als wüsste ich tatsächlich kaum etwas von dir.«
»Wir Templetons nehmen nie etwas einfach als gegeben hin.« Und genau aus diesem Grund machte sie sich beim Betreten des Ballsaals auf alles Mögliche gefasst.
Tatsächlich herrschte das reinste Chaos. Erst die Hälfte der Tische für das abendliche Signieren der Bücher war aufgebaut, die restlichen Tische jedoch lehnten zusammengeklappt neben Bergen von Kisten an einer langen Wand. Bereits bei dem Gedanken an all die Mühe, die es kosten würde, sämtliche Bücher auszupacken und auf die richtigen Tische zu verteilen, wurde Laura schwindelig. Nun, das wenigstens war nicht ihr Job.
»Laura.« Wieder war es Melissa, die mit halb heruntergerutschter Nickelbrille durch den Saal geschossen kam. »Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind. Uns fehlen immer noch die Bücher von sechs Autorinnen, und die gesamte Ladung eines Verlags scheint irgendwo in den Tiefen des Hotels verschwunden zu sein.«
»Ich werde sie schon wiederfinden. Keine Angst.«
»Ja, aber . ..«
»Ich kümmere mich persönlich darum.« Sie hoffte, dass ihr Lächeln nicht resigniert, sondern beruhigend wirkte. »Wenn nötig stelle ich selbst sämtliche Räume auf den Kopf, bis die Bücher wieder auftauchen.«
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen dafür bin. Sie haben ja keine Vorstellung davon, wie es ist, einer Autorin sagen zu müssen, dass sie keine Bücher zum Signieren hat. Egal, ob der Grund dafür die Sintflut, Pestilenz oder der Weltuntergang ist, sie würde einem trotzdem dafür an die Kehle gehen.«
· »Dann werden wir dafür sorgen, dass die Bücher rechtzeitig zur Stelle sind, und wenn wir dafür jemanden losschicken müssen, der sämtliche Buchläden leerkauft.«
Melissa blies sich die Haare aus den Augen. »Inzwischen habe ich vier nationale und sechs regionale Tagungen organisiert. Sie sind die beste Koordinatorin, mit der ich bisher zusammengearbeitet habe. Und das sage ich nicht nur deshalb, weil mein Leben in Ihren Händen liegt.«
Erleichtert wandte sie sich mit einem gewinnenden Lächeln Lauras Begleiter zu. »Hallo. Ich bin Melissa Manning, wenn ich nicht gerade vollkommen durchgedreht bin.«
»Michael. Sind Sie auch Schriftstellerin?«
»Allerdings, sogar oder vielleicht vor allem, wenn ich durchdrehe.«
»Haben Sie vielleicht ein Buch, das ich kaufen könnte?«
Sie blinzelte und die Augen hinter ihren Brillengläsern funkelten vergnügt. »Tatsächlich habe ich zufällig eines in meiner Aktentasche. Hätten Sie gerne eine Widmung drin?«
»Das wäre wirklich toll.«
»Einen Augenblick.«
»Das war wirklich süß«, murmelte Laura, als Melissa auf der Suche nach ihrer Aktentasche in eine andere Ecke des Ballsaals schoss.
»Ich lese gern und vielleicht lerne ich dabei ja sogar noch etwas.« Er griff nach ihrer Hand. »Wie wäre es heute Abend mit einem gemeinsamen Essen, vielleicht einer Spazierfahrt und vielleicht am Ende mit ein bisschen wildem, ungezügeltem Sex?«
»Wie immer ein interessantes Angebot.« Es war peinlich, dass sie sich räuspern musste, aber ihr blieb keine andere Wahl. »Allerdings arbeite ich heute Abend hier.«
»Das ist ja wohl vollkommener Wahnsinn.« Amüsiert
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