So fern wie ein Traum
Tagungen ankommen, herrscht stets ein wesentlich größeres Treiben als sonst.«
An den Schreibtischen in den Büros ging es nicht viel ruhiger zu. Telefone klingelten, überall standen Kisten und Kartons übereinander getürmt, rannten Leute umher. Laura betrat einen winzigen Raum, in dessen Mitte ein über und über mit ordentlichen Papierstapeln bedeckter Schreibtisch stand. Das Faxgerät summte und spuckte einen endlosen Strom an zusätzlichem Papier aus.
»Himmel, wie schaffst du es noch, hier zu arbeiten?« Er rollte unbehaglich mit den Schultern, denn sofort fühlte er sich eingeengt. »Wie kannst du hier überhaupt noch Luft holen?«
»Es ist mehr als ausreichend, und der begrenzte Platz erzwingt einfach ein gewisses Maß an Effizienz.« Sie riss ein Fax aus der Maschine und griff gleichzeitig nach dem Telefonhörer. »Setz dich, wenn du willst. Tut mir Leid, ich muss das hier erst noch erledigen.«
Nachdem sie eine Nummer eingegeben hatte, klemmte sie sich den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter, damit sie die Hände frei hatte, während sie sprach. »Karen, ja, ich habe es hier vor mir liegen. Sieht gut aus, finde ich. Sie müssen den Empfangstisch eine Stunde früher aufstellen. Ja, ich weiß, aber die Konferenzleitung hat sich über die Besucherzahl verschätzt. Ja, ich weiß, dass sie: Man darum kümmert, aber er geht gerade nicht ans Telefon. Nein, ich glaube nicht, dass er das Handtuch geworfen hat.«
Grinsend legte sie das Fax auf einem Stapel auf dem Tisch und griff nach einem Block. »Uh-ah. Eis steht schon auf meiner Liste, keine Angst. Wenn Sie nur… dafür bin ich Ihnen etwas schuldig. Nein, ich werde erst eins ausgeben, wenn das alles überstanden ist. Vielen Dank, ich wollte noch – Himmel! Ich kriege gerade einen weiten Anruf durchgestellt. Wir sehen uns dann später, ja?«
Michael setzte sich auf einen Stuhl, ein Bein über das andere und sah ihr bei der Arbeit zu. Wer hätte gedacht, dass die kühle, verwöhnte Prinzessin bis über beide Ellbogen in ernsthafter Arbeit steckte, überlegte er. Das sie zwischen dem Telefon und dem Computer hin und her wechselte wie ein erfahrener Soldat in der alles entscheidenden letzten Schlacht.
Abhängig vom Thema und vom jeweiligen Gesprächspartner wirkte sie warmherzig, kühl, überlegen, oder brüsk. Und stets war sie ganz Ohr.
Doch jedes Mal, wenn sie in Michaels Richtung sah, setzte ihr Herzschlag für eine Sekunde aus. Schwarze Jeans, abgewetzte Stiefel, windzerzaustes Haar. Augen, denen nichts verborgen blieb.
»Michael, du brauchst nicht…«
Ehe sie ihren Satz beenden konnte, ehe sie auch nur beginnen konnte, ihn hinauszukomplimieren, steckte ein dünnes Männchen lächelnd den Kopf durch die Tür. Tut mir Leid. Laura?«
»Mark. Seit einer Stunde versuche ich erzveifelt, Sie ans Telefon zu kriegen«, sagte sie.
»Ich weiß. Ich saß einfach fest. Ich bin unterwegs in den Tagungsraum, um mich um den Aufbau des Empfangstisches zu kümmern«, antwortete er. »Aber es scheint, als ob im Goldenen Ballsaal eine mittlere Krise ausgebrochen ist. Sie wollen niemand geringeren als Sie.«
»Natürlich. Michael, ich muss mich sofort darum kümmern.« Sie stand rasch auf.
»Dann machen wir uns am besten auf den Weg.«
»Hast du denn nichts zu tun?« Es machte sie bereits nervös, wenn er neben ihr ging, erkannte sie.
»Es macht mir Spaß, dir bei der Arbeit zuzusehen. Und ich finde, dass jeder Mann hin und wieder das Recht auf eine kurze Pause hat.«
Während sie eine breite, mit weichen Teppichen ausgelegte Treppe hinauf eilten, sah er sich neugierig um. »Ich war noch nie hier im Hotel. Wirklich nicht übel«, sagte er.
»Das wusste ich nicht. Ich wünschte, ich könnte dich ein wenig herumführen, aber…« Sie zuckte mit den Schultern. »Du kannst dich natürlich gern allein umsehen, aber ich würde dir nicht empfehlen, die Fahrstühle zu benutzen. Heute checken ungefähr achthundert neue Gäste ein, und sicher sind sämtliche Lifte hoffnungslos überfüllt.«
»Ich denke, es gibt Schlimmeres, als zusammen mit Autorinnen von Liebesromanen in einem Fahrstuhl eingesperrt zu sein.« Er schüttelte den Kopf.
Der große Saal in der zweiten Etage war genauso geräumig, elegant und dicht bevölkert wie das Foyer. Riesige Kronleuchter tauchten die mit schneeweißen und blutroten Begonien bepflanzten Messing- und Silbertöpfe in ein weiches Licht. Die schweren Vorhänge vor den Fenstern auf einer Seite des Raums waren zurückgezogen und
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