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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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zähflüssige, durchsichtige Flüssigkeit. Er roch an seinen Fingern, aber es war nichts, was er kannte.
    Als er auf den weißen Fußboden hinabblickte, hatte sich dort bereits eine kleine Pfütze gebildet. Die Flüssigkeit war nicht durchsichtig, sondern hellrosa, sah aus wie etwas, das er beim Separieren von Blut in Transfusionsbeuteln gesehen hatte. Wie das, was übrig bleibt, wenn die roten Blutkörperchen herabsinken.
    Plasma.
    Dieser Mann blutete Blutplasma.
    Wie dies möglich sein konnte, würden die Experten morgen oder vielmehr heute klären müssen. Sein Job war nur, diese Blutung zu stoppen, damit hier nichts schmutzig wurde. Er wollte nach Hause, neben seiner schlafenden Frau ins Bett kriechen, ein paar Seiten in Das Ekel aus Säffle lesen und anschließend schlafen.
    Benke faltete die Mullbinde zu einer dicken Kompresse zusammen und presste sie auf die Wunde. Wie zum Teufel sollte er das Klebeband befestigen? Auch der restliche Hals des Mannes war so zerfetzt, dass man Probleme hatte, Flecken unbeschädigter Haut für das Pflaster zu finden. Egal. Er wollte nach Hause. Er zog lange Streifen Klebeband ab und verklebte sie kreuz und quer auf dem Hals, weshalb man ihm später vermutlich Fragen stellen würde, aber das war ihm jetzt egal.
    Ich bin Hausmeister, kein Chirurg.
    Als die Kompresse platziert war, wischte er die Bahre und den Fußboden trocken. Anschließend rollte er die Leiche in Raum vier und rieb sich die Hände. Das war’s. Ein gut erledigter Job und eine nette Geschichte, die man in Zukunft zum Besten geben konnte. Während er einen letzten prüfenden Blick in den Raum warf und das Licht löschte, begann er bereits, sich geschliffene Formulierungen zurechtzulegen.
    Ihr habt doch sicher von diesem Mörder gehört, der aus dem obersten Stock gefallen ist, nicht? Ich hab mich ja dann um ihn gekümmert, danach, und als ich mit ihm zum Kühlraum hinuntergefahren bin, habe ich etwas Seltsames gesehen …
    Er nahm den Aufzug zu seinem Zimmer, wusch sich gründlich die Hände, zog sich um und warf den Kittel auf dem Weg nach draußen in die Wäsche. Er ging zum Parkplatz, setzte sich ins Auto und rauchte in aller Ruhe eine Zigarette, ehe er den Motor anließ. Nachdem er sie im Aschenbecher ausgedrückt hatte, den er wirklich bald einmal leeren sollte, drehte er den Zündschlüssel.
    Wie üblich, wenn es kalt oder feucht war, bockte der Wagen ein wenig, sprang allerdings letzten Endes immer an, wollte vorher nur ein bisschen herumzicken. Als das Wah-Wah-Geräusch beim dritten Versuch in ein stotterndes Motorbrummen überging, schoss es ihm durch den Kopf.
    Es gerinnt nicht.
    Nein. Was da aus dem Hals des Mannes lief, würde unter der Kompresse nicht gerinnen. Es würde durchbluten und anschließend weiter auf den Fußboden laufen … und wenn sie in ein paar Stunden die Tür öffneten …
    Mist!
    Er zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und stopfte ihn wütend in die Tasche, während er aus dem Wagen stieg und zum Krankenhaus zurückging.
    *
    Das Wohnzimmer war nicht ganz so leer wie der Flur und die Küche. Hier standen eine Couch, ein Sessel und ein großer Tisch, auf dem jede Menge kleiner Gegenstände lagen. Neben der Couch waren drei Umzugskartons aufeinander gestapelt. Eine einsame Stehlampe warf schwaches gelbes Licht auf den Tisch. Aber das war auch schon alles. Keine Teppiche, keine Bilder, kein Fernsehapparat. Vor den Zimmerfenstern hingen dicke Decken.
    Es sieht aus wie eine Gefängniszelle. Eine große Gefängniszelle.
    Oskar pfiff kurz und prüfend. Tatsächlich. Es hallte, wenn auch nur schwach. Vermutlich wegen der Decken. Er stellte seine Tasche neben dem Sessel ab. Als die Metallbeschläge der Unterseite auf den harten Linoleumboden trafen, wurde das Klackern trostlos verstärkt.
    Er sah sich gerade die Sachen an, die auf dem Tisch lagen, als Eli aus dem Nachbarzimmer kam, jetzt ihr viel zu großes kariertes Hemd trug. Oskar zeigte auf das Wohnzimmer.
    »Wollt ihr umziehen?«
    »Nein. Wieso?«
    »Ich dachte nur.«
    Ihr?
    Dass er bisher nicht daran gedacht hatte. Oskar ließ den Blick über die Gegenstände auf der Tischplatte schweifen. Sie sahen allesamt wie Spielzeug aus. Altes Spielzeug.
    »Dieser Mann, der hier gewohnt hat. Das war gar nicht dein Vater, oder?«
    »Nein.«
    »War er auch …?«
    »Nein.«
    Oskar nickte, sah sich erneut im Zimmer um. Man konnte sich kaum vorstellen, dass jemand so wohnte. Es sei denn …
    »Bist du irgendwie … arm?«
    Eli ging zum Tisch, hob

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