So finster die Nacht
anzeigte, wie der Mann gefallen war.
Eine Berühmtheit.
Der Klumpen unter dem Tuch deutete nichts dergleichen an. Ein Klumpen wie jeder andere auch. Er wusste, dass der Mann wie ein Monster aussah, dass sein Körper aufgeplatzt war wie ein wassergefüllter Ballon, als er auf dem gefrorenen Erdboden aufschlug, und er war dankbar für das Tuch. Unter dem Tuch sind wir alle gleich.
Dennoch würden sicher viele Menschen erleichtert sein, dass gerade dieser Klumpen nicht mehr lebendigen Fleisches in die Kälte geschafft wurde, um später zum Feuer transportiert zu werden, sobald die Gerichtsmediziner mit ihm fertig waren. Der Mann hatte eine Wunde am Hals gehabt, die den Polizeifotografen ganz besonders interessiert hatte.
Aber spielte das eine Rolle?
Benke neigte dazu, sich ein wenig als Philosophen zu betrachten, was höchstwahrscheinlich mit seiner Arbeit zusammenhing. Er hatte so viel von dem gesehen, was der Mensch in Wahrheit, letzten Endes war, dass er eine Theorie entwickelt hatte, und die war ganz einfach.
»Alles sitzt im Gehirn.«
Seine Stimme hallte in den menschenleeren Korridoren, als er die Bahre vor der Tür zum Kühlraum anhielt, den Code eintippte und die Tür öffnete.
Ja. Alles ist im Gehirn. Von Beginn an. Der Körper ist nur eine Art Serviceeinheit, die das Gehirn mit sich herumschleppen muss, um am Leben zu bleiben. Aber alles ist von Anfang an dort, im Gehirn. Und der einzige Weg, jemanden wie den Mann unter dem Tuch zu verändern, bestünde darin, sein Gehirn zu operieren.
Oder es abzuschalten.
Das Schloss, das die Tür zehn Sekunden offen halten sollte, nachdem man den Code eingetippt hatte, war immer noch nicht repariert worden, und Benke musste die Tür mit einer Hand aufhalten, während er mit der anderen nach dem Kopfende der Bahre griff und sie in den Kühlraum zog. Die Bahre schlug gegen den Türpfosten, und Benke fluchte.
In der Chirurgie hätten sie das in null Komma nichts repariert.
Dann sah er etwas Eigenartiges.
Direkt unter und links von der Erhebung, die der Kopf des Mannes war, gab es einen bräunlichen Fleck auf dem Tuch. Die Tür schloss sich hinter ihnen, als Benke den Kopf senkte, um sich die Sache etwas genauer anzusehen. Der Fleck wurde langsam größer.
Er blutet.
Benke war niemand, der sich leicht ins Bockshorn jagen ließ. So etwas hatte er auch früher schon erlebt. Es war vermutlich nur eine Ansammlung von Blut im Schädelinneren, die freigesetzt wurde, als die Bahre gegen den Türpfosten schlug.
Der Fleck auf dem Tuch wurde größer.
Benke ging zum Erste-Hilfe-Schrank und holte Mullbinden und Leukoplast heraus. Er hatte einen solchen Schrank an einem Ort wie diesem immer etwas komisch gefunden, aber er war natürlich für den Fall gedacht, dass sich hier eine lebende Person verletzte; sich die Finger an der Bahre klemmte oder Ähnliches.
Er fasste das Tuch direkt oberhalb des Flecks und sammelte sich einen Augenblick. Selbstverständlich hatte er keine Angst vor Leichen, aber diese hatte wirklich ziemlich übel ausgesehen, und Benke würde sie verbinden müssen. Er und sonst niemand würde Ärger bekommen, wenn massenhaft Blut in den Kühlraum lief.
Also schluckte er und zog das Tuch herab.
Das Gesicht des Mannes trotzte jeder Beschreibung. Es war schlichtweg unvorstellbar, dass er eine Woche lang mit einem solchen Gesicht gelebt hatte, in dem es nichts gab, was sich als etwas Menschliches erkennen ließ; abgesehen von einem Ohr und einem … Auge.
Hätten sie es nicht … zukleben können?
Das Auge stand offen. Natürlich. Es gab praktisch kein Lid, um es zu schließen. Und das Auge war so mitgenommen, dass es aussah, als hätten sich im Augapfel Narben gebildet.
Benke riss sich von dem toten Blick los und konzentrierte sich auf das, was er zu tun hatte. Die Quelle des Flecks schien die Wunde am Hals zu sein.
Ein weiches Ploppen war zu hören, und Benke schaute sich hastig um. Verdammter Mist. Seine Nerven spielten ihm also doch einen Streich. Ein zweites Ploppen. Es kam von seinen Füßen. Er schaute an sich hinab. Ein Wassertropfen fiel von der Bahre und landete auf seinem Schuh. Plopp.
Wasser?
Er untersuchte die Wunde am Hals des Mannes. Unter ihr hatte sich eine Pfütze gebildet und breitete sich auf dem Blech der Bahre aus.
Plopp.
Er bewegte seinen Fuß zur Seite. Es tropfte auf den Kachelboden.
Plipp.
Er berührte die Flüssigkeit mit dem Zeigefinger, rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. Das war kein Wasser. Es war eine glatte,
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