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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Lichtverhältnisse eingestellt hatten, sah er, dass er nicht allein war.
    Ausgestreckt auf dem Fußboden, direkt zu seinen Füßen lag …
    … Papa …
    Dass sein Vater verbrannt worden war, fiel ihm nicht ein, als er im flackernden Schein der Feuerzeugflamme das Gesicht der Leiche sah, das exakt seinen Erwartungen daran entsprach, wie man aussehen musste, wenn man jahrelang in der Erde gelegen hatte.
    … Papa …
    Gellend schrie er direkt in die Flamme, sodass sie ausgeblasen wurde, aber in der Sekunde vor ihrem Erlöschen hatte er noch gesehen, dass Papas Kopf zuckte und …
    … es lebt …
    Sein Darminhalt entleerte sich mit einer feuchten Explosion in seine Hose, die warm über seinen Po spritzte. Dann gaben seine Beine nach, sein Skelett löste sich auf, und er brach zusammen und ließ das Feuerzeug fallen, das über den Fußboden davonrutschte. Seine Hand landete direkt auf den kalten Zehen der Leiche. Scharfe Nägel zerkratzten seine Handfläche, und während er weiter brüllte –
    Aber Papa! Hast du dir etwa die Zehennägel nicht geschnitten?
    – begann er den kalten Fuß zu streicheln, zu liebkosen, als wäre er ein verfrorener Welpe, der getröstet werden musste. Er streichelte weiter das Schienbein hinauf, über den Oberschenkel und spürte, dass unter der Haut Muskeln gespannt wurden, sie bewegten sich, während er stoßweise weiterschrie, röhrte wie ein Hirsch.
    Seine Fingerspitzen stießen auf Metall. Die kleine Statue. Sie lag eingebettet zwischen den Schenkeln der Leiche. Er packte die Brust der Figur, hörte auf zu schreien und kehrte für einen Moment zum Konkreten zurück.
    Die Keule.
    In der Stille nach seinem Schrei hörte er ein triefendes, glibbriges Geräusch, als die Leiche den Oberkörper anhob, und als ein kaltes Glied seinen Handrücken berührte, zog er die Hand zurück und umklammerte die kleine Statue.
    Das ist nicht Papa.
    Nein. Tommy rutschte auf kotverklebten Oberschenkeln rückwärts, fort von der Leiche, und glaubte für einen Moment in der Dunkelheit sehen zu können, als sich das, was er hörte, in ein Bild verwandelte und er sah, wie sich die Leiche in der Dunkelheit aufrichtete, eine gelbliche Kontur, ein Sternbild.
    Während er, sich mit den Füßen abstoßend, rückwärts zur Wand rutschte, stieß der Körper auf der anderen Seite ein kurzes, gehauchtes »… aa …« aus.
    Und Tommy sah …
    Einen kleinen Elefanten, einen kleinen gezeichneten Elefanten, und hier kommt (tröööt) der große Elefant, und dann … in die Höh’! … mit den Rüsseln und »A« trompeten, dann kommen Magnus, Brasse und Eva und singen: »Dort! Ist hier! Wo man nicht …«
    Nein, wie ging das noch …
    Die Leiche musste gegen den Kartonstapel gestoßen sein, denn man hörte das Krachen, Scheppern von Rundfunkgeräten, die zu Boden fielen, während Tommy mit solchem Schwung gegen die Wand rutschte, dass sein Hinterkopf dagegenschlug und sich sein Schädel mit weißem Rauschen füllte. Durch das Rauschen hindurch ließ sich das Schmatzen steifer, nackter Füße vernehmen, die über den Boden stapften, suchten.
    Hier. Ist dort. Wo man nicht ist. Nein. Doch.
    Ja genau. Er war nicht hier. Er konnte sich nicht sehen, sah nicht, was die Geräusche erzeugte. Folglich waren es nur Laute. Es war nur etwas, dem er lauschte, während er in das schwarze Stoffnetz der Lautsprecherbox starrte. Das alles hier war etwas, das es überhaupt nicht gab.
    Hier. Ist dort. Wo man nicht ist.
    Fast hätte er es laut gesungen, aber ein letzter Funken Verstand sagte ihm, dass er es lieber nicht tun sollte. Das weiße Rauschen verstummte allmählich und ließ eine leere Fläche zurück, auf der er mühsam Gedanken aufzustapeln begann.
    Das Gesicht. Das Gesicht.
    Er wollte nicht an dieses Gesicht denken, wollte nicht an dieses Gesicht …
    Da war etwas gewesen mit dem Gesicht, das im Lichtschein des Feuerzeugs aufgetaucht war.
    Der Körper näherte sich. Die Schritte klangen nicht nur näher, jetzt über den Boden schlurfend, nein, er spürte seine Gegenwart zudem wie einen Schatten, der finsterer war als die Finsternis.
    Er biss sich in die Unterlippe, bis er Blutgeschmack im Mund hatte, und schloss die Augen.
    Sah seine eigenen zwei Augen aus dem Bild verschwinden wie zwei …
    Augen.
    Es hat keine Augen.
    Ein schwacher Lufthauch auf seinem Gesicht, als eine Hand durch die Luft strich.
    Blind. Es ist blind.
    Er war sich nicht sicher, aber der Klumpen auf den Schultern dieses Wesens hatte keine Augen gehabt.
    Als die

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