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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Papa ein ferngesteuertes Flugzeug ausprobiert hatten, das sich Papa von einem Arbeitskollegen geliehen hatte.
    Mama war eine Zeit lang bei ihnen gewesen, bis es ihr schließlich doch zu langweilig geworden war, das Flugzeug zu beobachten, das seine Bahnen durch die Luft zog, und sie nach Hause ging. Er und Papa hatten weitergemacht, bis es dunkel wurde und das Flugzeug nur noch eine Silhouette vor dem rosa Abendhimmel war. Daraufhin waren sie Hand in Hand durch den Wald nach Hause gegangen.
    In diesen Tag hatte Tommy sich zurückversetzt, die Schreie und den Wahnsinn vergessend, der sich nur wenige Meter von ihm entfernt abspielte. Für ihn gab es nur das wütende Surren des Flugzeugs, die Wärme von Papas großer Hand auf seinem Rücken, während er das Flugzeug nervös in weiten Kreisen über dem Feld, dem Friedhof manövrierte.
    Damals war Tommy noch nie auf einem Friedhof gewesen; hatte sich Menschen vorgestellt, die planlos zwischen den Gräbern umherirrten und große, glänzende Comictränen vergossen, die klatschend auf die Steine hinabfielen. So hatte er es sich damals ausgemalt. Dann war Papa gestorben, und Tommy erfuhr, dass Friedhofstrauer nur selten, viel zu selten so aussah. Die Hände fester auf die Ohren gepresst und bloß weg mit solchen Gedanken. Denk an den Weg durch den Wald, denk an den Geruch des Spezialbenzins für das Modellflugzeug in dem kleinen Fläschchen, denk …
    Erst als er durch seinen Gehörschutz hindurch hörte, dass ein Schlosskolben bis zum Anschlag gedreht wurde, hatte er die Hände fortgenommen und aufgeblickt, jedoch vergebens, weil der Schutzraum schwärzer gewesen war als der Raum hinter seinen Augenlidern. Er hatte die Luft angehalten, während der zweite Schlosskolben scheppernd einrastete, und sie weiter angehalten, solange was-immer-es-war sich noch im Keller aufhielt.
    Dann hörte er das ferne Zuschlagen der Kellertür, eine Vibration in den Wänden, und hier war er jetzt. Lebend.
     
    Es hat mich nicht bekommen.
    Was genau dieses »es« war, wusste er nicht, doch was immer es war, es hatte ihn nicht entdeckt.
    Tommy richtete sich aus seiner zusammengekauerten Position auf. Ein kribbelnder Ameisenpfad verlief durch seine tauben Beinmuskeln, als er sich entlang der Wand zur Tür tastete. Seine Hände waren aus Furcht und dadurch, dass er sie gegen die Ohren gepresst hatte, ganz verschwitzt, die kleine Statue glitt ihm beinahe aus den Fingern.
    Seine freie Hand fand das Drehrad des Schlosses, begann zu kurbeln.
    Es bewegte sich etwa zehn Zentimeter, dann stoppte es jäh.
    Was ist denn jetzt los …
    Er drückte fester, aber das Rad wollte sich einfach nicht von der Stelle rühren. Er ließ die kleine Statue los, um beide Hände einsetzen zu können, und sie fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden. Er hielt inne.
    Das klang seltsam. Als wäre da etwas … Weiches.
    Er ging neben der Tür in die Hocke, versuchte am unteren Rad zu drehen. Das gleiche Problem. Zehn Zentimeter, dann war Schluss. Er setzte sich auf den Fußboden, versuchte praktisch zu denken.
    Verdammt, muss ich jetzt etwa hier bleiben.
    Schon möglich.
    Trotzdem beschlich es ihn … jenes Grauen, das ihn nach Papas Tod monatelang heimgesucht hatte. Er hatte es schon lange nicht mehr empfunden, aber jetzt, eingeschlossen in eine pechschwarze Dunkelheit, regte es sich erneut in ihm. Die Liebe zu Papa, die sich durch den Tod in Angst vor ihm verwandelt hatte. Vor seinem Körper.
    Er bekam einen Kloß im Hals, seine Finger erstarrten.
    Denk jetzt. Denk!
    Im Lagerraum auf der anderen Seite lagen in einem Regal Kerzen. Das Problem war nur, in dieser Dunkelheit dorthin zu gelangen.
    Idiot!
    Er schlug sich gegen die Stirn, dass es klatschte, lachte auf. Er hatte doch ein Feuerzeug! Und außerdem: Was hätte es denn auch für einen verdammten Sinn gehabt, nach Kerzen zu suchen, wenn er dann doch nicht in der Lage gewesen wäre, sie anzuzünden?
    Wie dieser Typ mit tausend Konservendosen, der keinen Dosenöffner hatte und umgeben von Lebensmitteln verhungerte.
    Während er in seiner Tasche nach dem Feuerzeug suchte, dachte er, dass seine Situation gar nicht so hoffnungslos war. Früher oder später würde schon jemand in den Keller kommen, wenn sonst niemand, dann doch auf jeden Fall Mama. Hauptsache, er bekam etwas Licht.
    Er zog das Feuerzeug aus der Tasche, machte es an.
    Seine Augen, die sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, wurden einen Moment lang von der Flamme geblendet, aber als sie sich auf die neuen

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