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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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nicht, aber er war ja ziemlich … ich meine neulich, als er … wovon hat er da noch gefaselt? Von Werwölfen?«
    »Vampiren.«
    »Ja genau. Das ist nun wirklich kein Zeichen dafür, dass man in Topform ist, nicht wahr?«
    Der Zug hielt am Ängbyplan. Als sich die Türen wieder schlossen, sagte Morgan: »So. Jetzt sitzen wir im gleichen Boot.«
    »Ich glaube, dass sie weniger streng sind, wenn man zwei Streifen entwertet hat.«
    »Du glaubst es. Aber du weißt es nicht.«
    »Hast du die Wahlprognosen gesehen? Für die Kommunisten?«
    »Ja, ja. Bis zur Wahl wendet sich das noch zum Besseren. Es gibt jede Menge heimliche Linke, die mit dem Wahlzettel in der Hand dann doch dem Ruf ihres Herzens folgen.«
    »Glaubst du.«
    »Nein. Ich weiß es. An dem Tag, an dem die Kommunisten aus dem Parlament fliegen, fange ich an, an Vampire zu glauben. Obwohl, eins ist klar: Die Konservativen wird es immer geben. Bohman und seine Kompanie. Das sind die wahren Blutsauger …«
    Morgan setzte zu einem seiner Monologe an. Auf Höhe der Haltestelle Åkeshov hörte Larry ihm nicht mehr zu. Vor den Gewächshäusern stand ein einzelner Polizist und blickte zur Bahn auf. Larry sorgte sich kurz, als er an seine unzureichend entwertete Fahrkarte dachte, tat den Gedanken aber augenblicklich ab, als ihm wieder einfiel, warum die Polizei dort Posten bezogen hatte.
    Der Beamte sah im Übrigen vor allem gelangweilt aus. Larry entspannte sich; nur einzelne Worte aus Morgans Litanei bohrten sich in sein Bewusstsein, während sie weiter Richtung Sabbatsberg donnerten.
    *
    Schon Viertel vor acht, und immer noch keine Krankenschwester.
    Der schmutziggraue Striemen an der Decke war hellgrau geworden, und die Jalousien ließen inzwischen genügend Licht durch, um Virginia das Gefühl zu geben, in einem Solarium zu liegen. Ihr Körper war erhitzt, pochte, aber das war alles. Mehr würde nicht passieren.
    Lacke schnarchte im Nachbarbett, sein Mund kaute im Schlaf. Sie war bereit. Hätte sie auf einen Knopf drücken können, um eine Krankenschwester kommen zu lassen, hätte sie es getan. Aber ihre Hände saßen fest, konnten nichts tun.
    Also wartete sie. Das Hitzegefühl auf der Haut war zwar quälend, aber nicht unerträglich. Schlimmer war der ununterbrochene Kraftakt, der nötig war, um sich wachzuhalten. Ein Moment der Unachtsamkeit, und ihre Atmung hörte auf, Räume in ihrem Kopf wurden in einem rasenden Tempo abgeschaltet, und sie musste die Augen aufsperren und den Kopf schütteln, um sie wieder einzuschalten.
    Gleichzeitig war diese notwendige Wachsamkeit ein Segen; sie hinderte Virginia am Denken. Ihre gesamte mentale Energie war darauf gerichtet, sich wachzuhalten. Es blieb kein Platz für Zweifel, Reue, Alternativen.
    Um Punkt acht Uhr kam die Krankenschwester.
    Als sie den Mund öffnete, um »Guten Morgen, guten Morgen!« zu sagen oder was Krankenschwestern morgens so sagen, zischte Virginia: »Pssst!«
    Der Mund der Krankenschwester schloss sich mit einem erstaunten Klacken, und sie runzelte die Stirn, als sie im Zwielicht zu Virginias Bett ging, sich über sie beugte und sagte: »Nun, wie …«
    »Schhhh!« Virginia flüsterte. »Entschuldigen Sie bitte, aber ich will ihn nicht wecken.« Sie nickte zu Lacke hin.
    Die Krankenschwester nickte, sagte leiser. »Nein, nein. Aber ich müsste die Temperatur messen und eine Blutprobe entnehmen.«
    »Ja, natürlich. Aber könnten Sie ihn … vorher hinausfahren?«
    »Hinausfah… soll ich ihn wecken?«
    »Nein. Aber wenn Sie ihn hinausfahren könnten, während er schläft.«
    Die Krankenschwester betrachtete Lacke, als wollte sie entscheiden, ob das, worum Virginia sie bat, überhaupt möglich war, lächelte daraufhin, schüttelte den Kopf und sagte: »Das geht schon auch so. Wir messen die Temperatur im Mund, Sie brauchen nicht das Gefühl zu haben, dass …«
    »Das ist es nicht. Könnten Sie nicht einfach … tun, worum ich Sie bitte?«
    Die Krankenschwester warf einen hastigen Blick auf ihre Uhr.
    »Sie müssen schon entschuldigen, aber ich habe noch andere Patienten, die …«
    Virginia zischte so laut sie sich traute:
    »Bitte!«
    Die Krankenschwester wich einen halben Schritt zurück. Offensichtlich wusste sie, was in der vergangenen Nacht mit Virginia passiert war. Ihre Augen schweiften über die Riemen, die Virginias Arme festhielten. Was sie sah, schien sie zu beruhigen, und so trat sie wieder ans Bett heran. Nun sprach sie zu Virginia, als wäre diese nicht im Vollbesitz ihrer geistigen

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