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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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lag jetzt … ein Tatort. Statt der Standpauke, die er sich vorgenommen hatte, begann er innerlich im Regelbuch über die korrekte Vorgehensweise an Tatorten zu blättern. Er konnte es auswendig, aber während er die einzelnen Paragraphen abhakte –
    sichern Sie Material, das auf Grund seiner Eigenart verschwinden könnte … halten Sie die Uhrzeit fest … vermeiden Sie es, Stellen zu kontaminieren, an denen Spuren von Fasern gesichert werden könnten
    – hörte er hinter sich ein leises Murmeln. Ein Murmeln, das von gedämpften Stößen unterbrochen wurde.
    Durch die Drehräder des Schlosses zum Schutzraum war ein Stock gezogen worden. Er ging zu der Tür, lauschte. Tatsächlich. Das Murmeln, die Stöße kamen von dort. Es klang beinahe wie eine … Messe. Eine Litanei, deren Worte er nicht verstehen konnte.
    Teufelsanbeter …
    Ein lächerlicher Gedanke, doch als er den Stock, der in der Tür saß, betrachtete, bekam er angesichts dessen, was er an der Spitze des Stocks erblickte, tatsächlich Angst. Dunkelrote, klumpige Striemen, die sich etwa zehn Zentimeter den Stock hinauf zogen. So, genau so, sahen Messerklingen aus, wenn sie zu Gewalttaten benutzt worden und zum Teil getrocknet waren.
    Das Murmeln hinter der Tür ging weiter.
    Verstärkung rufen?
    Nein. Hinter der Tür wurde eventuell eine Straftat begangen, die unter Umständen abgeschlossen wurde, während er nach oben lief, um zu telefonieren. Er musste alleine zurechtkommen.
    Er öffnete den Knopf des Pistolenhalfters, um seine Waffe leichter erreichen zu können, hakte den Schlagstock los. Mit der anderen Hand zog er ein Taschentuch aus seiner Hose, legte es behutsam auf das Stockende und begann, ihn aus den Drehrädern zu ziehen, wobei er lauschend festzustellen versuchte, ob das Scharren des Stocks in dem Raum hinter der Tür zu einer Veränderung, zu Aktivitäten führte.
    Nein. Die Litanei und das Wummern gingen weiter.
    Der Stock war jetzt heraus. Er lehnte ihn an die Wand, um keine Hand- oder Fingerabdrücke zu zerstören.
    Er wusste natürlich, ein Taschentuch war keine Garantie dafür, dass Abdrücke nicht verwischt wurden, weshalb er zwei steife Finger auf eine der Speichen legte, statt das Drehrad selber anzufassen, und drehte.
    Der Kolben des Schlosses glitt zur Seite. Er leckte sich die Lippen. Sein Hals war ausgedörrt. Das zweite Rad wurde bis zum Anschlag gedreht, und die Tür glitt einen Zentimeter auf.
    Jetzt hörte er die Worte. Es war ein Lied. Die Stimme ein krächzendes, gebrochenes flüstern:
    Zweihundertvierundsiebzig Elefanten balancierten
    Auf einem kleinen, kleinen Spinnenfa-
    (Bums.)
    -aaaden!
    Das fanden sie so interessant
    Sie holten noch einen anderen Elefant!
    Zweihundertfünfundsiebzig Elefanten balancierten
    Auf einem kleinen, kleinen Spinnenfa-
    (Bums.)
    -aaaden!
    Das fanden sie so interessant …
    Staffan winkelte den Schlagstock vom Körper ab, schob die Tür damit auf.
    Er sah.
    Der Klumpen, hinter dem Tommy kniete, wäre nur mit größter Mühe noch als ein menschlicher Körper zu erkennen gewesen, wenn nicht, halb vom Körper abgetrennt, Arme von ihm abgestanden hätten. Brustpartie, Bauch, Gesicht waren eine einzige Erhebung aus Fleisch, Eingeweiden, zertrümmerten Knochen.
    Mit beiden Händen hielt Tommy einen viereckigen Stein, mit dem er an einer bestimmten Stelle in dem Lied auf die Schlachtreste einschlug, die so wenig Widerstand boten, dass der Stein hindurchsauste und mit einem dumpfen Knall auf dem Fußboden aufschlug, ehe er von Neuem angehoben wurde und ein weiterer Elefant auf den Faden kam.
    Staffan konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es tatsächlich Tommy war. Die Gestalt, die den Stein hielt, war selber so blutüberströmt, dass es schwer zu erkennen war … Staffan wurde extrem übel. Er schluckte herunter, was ihm sauer aufstieß und immer stärker zu werden drohte, schlug die Augen nieder, um nicht sehen zu müssen, und sein Blick fiel auf einen Zinnsoldaten, der an der Türschwelle lag. Nein. Es war ein Pistolenschütze. Er erkannte ihn. Die Figur lag so, dass die Pistole geradewegs auf die Decke zielte.
    Wo ist der Sockel?
    Dann begriff er.
    In seinem Kopf drehte sich alles, und Fingerabdrücke und Beweissicherung ignorierend, stützte er sich mit der Hand auf den Türpfosten, um nicht umzukippen, während das Lied monoton weiterging:
    Zweihundertsiebenundsiebzig Elefanten balancierten
    Auf einem kleinen, kleinen …
    Wenn er so halluzinierte, musste es übel um Tommy stehen. Staffan meinte

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